Libyen: Hunderte Bootsflüchtlinge in überfüllte Internierungslager zurückgebracht
© Sara Creta/MSF
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250 Bootsflüchtlinge wurden in den vergangenen zwei Wochen völkerrechtswidrig nach Libyen zurückgebracht und in überfüllte Internierungslager in Misrata und Khoms gesperrt. Die Schutzsuchenden sind Krankheiten, dem Risiko von Mangelernährung und erneuter Gewalt ausgesetzt. Ein Team von MSF überwies am Montag in Khoms zehn Überlebende nach ihrer Internierung wegen schwerer Gesundheitsprobleme in ein Krankenhaus. Trotz der Überweisung starb ein 15 jähriger Junge in der Klinik. Die EU unterstützt mit der Finanzierung der libyschen Küstenwache und der Behinderung von Rettungsschiffen die systematische Rückführung von auf dem Mittelmeer aufgegriffenen Schutzsuchenden in das Konfliktgebiet nach Libyen.
«Es ist ausgesprochen zynisch, Menschen nach Libyen rückführen zu lassen», erklärt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. «Die EU-Staaten zwingen Männer, Frauen und Kinder zurück in einen Kreislauf von Gefährdung und Gewalt. Es ist unfassbar, dass selbst der jüngste UN-Bericht über die höllischen Zustände in Libyen ignoriert wird. Und während Rettungsschiffe gezielt blockiert werden, geht das Sterben auf dem Mittelmeer weiter. Europa lässt Schutzsuchende ertrinken und zwingt die Überlebenden zurück in akute Gefahr.»
Am Wochenende ertranken Dutzende Menschen im Mittelmeer. Am Montag wurden 106 Überlebende von einem Handelsschiff in den Hafen von Khoms zurückgebracht. Nach Berichten ertranken sechs Menschen dieser Gruppe. «Als die Menschen an Land kamen, benötigten mehrere von ihnen dringend medizinische Hilfe», sagt Julien Raickman, MSF-Projektleiter in Misrata und Khoms. «Die Menschen sind verzweifelt. Sie brauchen Hilfe und Schutz und dürfen nicht länger von einer Gefangenschaft in die nächste geschickt werden.»
Am Dienstag wurden weitere 144 Überlebende, die von einem anderen Handelsschiff gerettet worden waren, nach Misrata gebracht. Unter den insgesamt 250 rückgeführten Flüchtlingen und Migranten befinden sich Frauen, auch schwangere, Babys und Kinder unter sieben Jahren. Seit Beginn des Jahres stieg die Zahl der willkürlich festgehaltenen Menschen in den Lagern der Region Misrata-Khoms von 650 auf 930.
Die Menschen werden in das Land zurückgebracht, aus dem sie geflüchtet sind. Sie sind verzweifelt und brauchen Hilfe und Schutz. Sie dürfen nicht länger von einer Gefangenschaft in die nächste geschickt werden.
Prekäre Lebensbedingungen in den Internierungslagern
In den überfüllten Internierungslagern haben sich durch die zusätzlich eingesperrten Menschen die ohnehin prekären Lebensbedingungen weiter verschärft. Die Gefangenen können nicht ans Tageslicht und sie erhalten kaum ausreichend sauberes Wasser und Nahrung. Das Essen reicht nicht aus und entspricht in keiner Weise dem Ernährungsbedarf von Kranken, Kindern und Schwangeren. Einige der kürzlich auf dem Meer aufgegriffenen Menschen leiden an Mangelernährung, Unterkühlung oder schwerem Durchfall. Einige von ihnen berichten, dass sie vor ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, bereits wochen- oder monatelang von Menschenhändlern gefangen gehalten und systematisch missbraucht und gefoltert worden seien.
Auch in den Internierungslagern in der Hauptstadt Tripolis steigt die Zahl der willkürlich festgehaltenen Flüchtlinge und Migranten. Fast alle Internierungslager sind nur schlecht gegen das Winterwetter geschützt. Durch die Kälte erkranken die Gefangenen vermehrt. In einem Lager hat MSF bei vielen Gefangenen einen starken Gewichtsverlust beobachtet, weil sie zu wenig zu essen bekommen.
Migranten und Geflüchtete in der Kampfzone eingeschlossen
Bei den jüngsten Kämpfen im Süden von Tripolis gerieten erneut Flüchtlinge und Migranten in einem offiziellen Internierungslager in die Schusslinie. Die Kämpfe haben nach Angaben von Vertretern der Weltgesundheitsorganisation 14 Tote und 58 Verletzte gefordert. Zivilisten waren zeitweise in der Kampfzone eingeschlossen, darunter etwa 228 Geflüchtete und Migranten, die willkürlich im Internierungslager Kasr Bin Gaschir festgehalten werden. Die Wasserversorgung des Internierungslagers wurde unterbrochen und die Gefangenen blieben ohne Zugang zu sauberem Wasser, bis MSF eine Notversorgung einrichten konnte. Ein MSF-Team hat das Internierungslager in den letzten 48 Stunden zweimal besucht, um Patienten zu behandeln und Medikamente für Tuberkulosepatienten bereitzustellen.
© Sara Creta/MSF