Masern in Zeiten von Corona

Bozo Manzi, DRK, 02 Mars 2020

Demokratische Republik Kongo4 Min.

Die Masernepidemie in der DR Kongo – die letztes Jahr von Ebola und jetzt von COVID-19 überschattet wird – ist noch nicht eingedämmt: Seit Januar 2019 sind mehr als 6600 Kinder gestorben. Damit ist es der bislang tödlichste Masern-Ausbruch des Landes und der derzeit grösste auf der ganzen Welt.

Der Masern-Ausbruch, der 2018 in der Demokratischen Republik Kongo begann, wurde von Anfang an vernachlässigt. Es dauerte Monate, bis die Epidemie im Juni 2019 offiziell bestätigt wurde. Die von den Behörden geleiteten Impfkampagnen waren geprägt von Verzögerungen, Koordinierungsproblemen und mangelnder Unterstützung von Partnerorganisationen, von denen sich viele auf die Bekämpfung von Ebola konzentrierten. Zusätzliche nationale Impfaktivitäten des Gesundheitsministeriums und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden wiederholt verschoben, bevor sie Ende 2019 endlich stattfanden.

Heute hat sich die Gesamtzahl der Fälle zwar verringert, aber die Epidemie ist noch lange nicht vorbei. In einigen Gebieten werden sogar erhöhte Fallzahlen gemeldet, und es gibt etwa 100 Bezirke, in denen dringend Massnahmen erforderlich sind. Seit Januar 2020 wurden offiziell mehr als 50 000 Erkrankte und rund 600 Todesfälle gemeldet.

Die Provinz Mongala im Norden des Landes wurde von der Masern-Epidemie besonders schwer getroffen. Trotz der Impfkampagne, die im vergangenen Dezember in diesem Gebiet durchgeführt wurde, gab es 2020 noch immer Hunderte Masernfälle im Bezirk Boso Manzi. Im Februar entsandten wir deshalb ein Notfallteam dorthin, um eine neue Impfkampagne und die Versorgung von Betroffenen zu unterstützen.

 

Bozo Manzi, DRK, 02 Mars 2020

Fast 44 000 Kinder zwischen sechs Monaten und neun Jahren wurden im Bezirk Boso Manzi gegen Masern geimpft.

© MSF/Caroline Thirion

MSF-Teams mit Jubel begrüsst

Die Menschen an diesem abgelegenen Ort zu erreichen, ist eine grosse Herausforderung: Unsere Teams mussten mit den Motorrädern sechs Stunden auf einer sandigen Strecke zurücklegen – und dabei viele Hindernisse überwinden. Im Gepäck: Grosse Kühlboxen mit Impfstoffen. Bei ihrer Ankunft wurden sie mit Jubel begrüsst. Denn die Menschen wissen nur allzu gut, welche tödliche Folgen Masern, Malaria, Durchfall und Infektionen der Atemwege haben können.

Alphonsine Ekima ist 43 Jahre alt. Sie und ihre Familie haben die direkten Auswirkungen der Gesundheitskrise gespürt: Vor sechs Wochen starb ihre dreijährige Tochter Marie an Masern. «Marie ist mein viertes Kind, das mir weggenommen wurde», sagt Alphonsine. «Sie wurde am selben Tag wie ihre Cousine begraben, die an derselben Krankheit starb.»

Bozo Manzi, DRK, 03 Mars 2020

Zusätzlich zur Masernimpfung erhalten die Kinder auch Vitamin A und Mebendazol zur Bekämpfung von Parasiten. Trotz der Impfung gab es im Februar noch zahlreiche Neuerkrankungen.

© MSF/Caroline Thirion

Kinder in abgelegenen Dörfern werden nicht erreicht

Die örtlichen Gesundheitszentren sind oft schlecht ausgestattet. Sie haben keine Kühlkettenkapazität und keine Transportmöglichkeiten. Infolgedessen konzentrieren sich die Impfungen häufig auf die unmittelbare Nähe der Gesundheitszentren. Kinder, die in abgelegenen Dörfern leben, werden nicht erreicht.

Masern schwächen das Immunsystem und machen Kinder anfällig für viele andere Infektionen, die zu Atemwegs- und Augenerkrankungen und neurologischen Komplikationen sowie zu Mangelernährung führen können.

Bozo Manzi, DRK, 03 Mars 2020

Der Bezirk Boso Manzi in der Provinz Mongala wurde von der Masern-Epidemie stark getroffen. Ärzte ohne Grenzen hat eine gross angelegte Impfkampagne durchgeführt und Kranke behandelt.

© MSF/Caroline Thirion

Belegte Betten auf der Masernstation

 

Im Spital von Boso Manzi sind die Auswirkungen der Epidemie spürbar: Auf der Masernstation sind die zahlreichen Betten von Kindern belegt. Mitten im Raum stöhnt die dreijährige Dobo Mambanza in den Armen ihrer Mutter. Das Gesicht des Mädchens ist fleckig von der Krankheit und sie bemüht sich, den Mund zu öffnen. Ihre Mutter legte einen Weg von 65 km zurück, um das Spital zu erreichen. Denn die traditionellen Behandlungsmethoden konnten die frühen Symptome nicht heilen. Dobo wird von unserem Notfallteam betreut, aber durch ihre fortgeschrittene Augeninfektion – eine Folge von Masern – wird sie nie mehr sehen können.

Auf der Suche nach Hotspots

Während des sechswöchigen Notfalleinsatzes in Boso Manzi hat Ärzte ohne Grenzen bei der Behandlung von mehr als 1000 Patientinnen und Patienten mitgeholfen. Und die Impfstoffe, die unsere Teams auf den Motorrädern hierher transportiert haben, wurden an 13 Orten eingesetzt, um mehr als 44 000 Kinder zu impfen. Unsere Teams sind immer auf der Suche nach neuen Hotspots.

Seit Januar 2020 haben wir in der Demokratischen Republik Kongo bereits mehr als 260 000 Kinder gegen Masern geimpft und mehr als 17 500 Kranke versorgt. Im vergangenen Jahr haben wir 816 000 Kinder gegen Masern geimpft und mehr als 50 000 Patienten und Patientinnen mit dieser Krankheit betreut.

Auch wenn heutzutage alle Augen auf die Bedrohung durch das Coronavirus gerichtet sind, reagieren unsere Teams weiterhin auf medizinische Notfälle wie Masern.

Wir versuchen uns an die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, anzupassen und die nationalen Gesundheitsbehörden zu unterstützen.

Es ist wichtig zu bedenken, dass ein einseitiger Fokus auf Covid-19 den Grundstein für andere grosse Gesundheitskrisen legen wird

Emmanuel Lampaert, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen

«Das Zurückfahren von Impfungen, Ernährungsunterstützung und Malariaprävention wird zu weiteren Krisen führen und die Situation verschlimmern», fährt Lampaert fort. «Wenn wir jetzt andere Gesundheitsproblemen vernachlässigen, machen wir uns mitschuldig an künftigen Todesfällen.»