Nuevo Laredo in Mexiko ist kein sicherer Ort für Flüchtlinge

Nuevo Laredo, Februar 2019

Mexiko3 Min.

Die Einigung der USA und Mexiko bringt Asylbewerberinnen und Asylbewerber in höchste Gefahr. Sogar das US-Aussenministerium warnt vor Reisen nach Nuevo Laredo.

Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Mexikos haben sich darauf geeinigt, ihr «Remain in Mexico-Abkommen» (offiziell bekannt als die Migrant Protection Protocols) auf Nuevo Laredo auszuweiten. Das Abkommen zwingt Asylbewerberinnen und Asylbewerber in den USA, ihre Gerichtsverfahren in gewalttätigen Gebieten Mexikos abzuwarten. Nuevo Laredo ist eine Grenzstadt im Bundesstaat Tamaulipas. Sie wird von kriminellen Gruppen kontrolliert; Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind Raub, Körperverletzung, Erpressung, Entführung und Mord ausgesetzt. Die internationale medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) verurteilt den Schritt, das Abkommen auf Nuevo Laredo auszuweiten, entschieden. 

«Es ist inakzeptabel, Menschen, die Asyl suchen, nach Mexiko zurückzuschicken und zu zwingen, in Nuevo Laredo zu bleiben», sagt Maria Hernandez von Ärzte ohne Grenzen Mexiko. 

Diese Politik bringt gefährdete Menschen in Gebiete, die von kriminellen Organisationen kontrolliert werden. Diese betrachten Migrantinnen und Migranten als Ware und Einkommensquelle.

Maria Hernandez von Ärzte ohne Grenzen Mexiko

Ärzte ohne Grenzen stellt Flüchtlingen sowie Migrantinnen und Migranten in verschiedenen Unterkünften in Nuevo Laredo, Reynosa und Matamoros medizinische, psychologische und soziale Unterstützung bereit.

Die Daten der Patientinnen und Patienten von Ärzte ohne Grenzen zeigen, dass mehr als 45 Prozent der 378 Menschen, die von Ärzte ohne Grenzen in Nuevo Laredo behandelt wurden, mindestens einmal eine Gewaltsituation in der Stadt erlitten, während sie darauf warteten, in die USA zu gelangen.

Von den 378  Patientinnen und Patienten, die 2019 von Ärzte ohne Grenzen im Rahmen der Programme für psychische Gesundheit behandelt wurden, wurden 45 Personen (zwölf Prozent) entführt – 26 von ihnen in den sieben Tagen vor ihrer psychologischen Beratung.

 

Die Mehrheit unserer Patientinnen und Patienten geht wegen der unmittelbaren Gefahr einer Entführung nicht auf die Strasse.

Maria Hernandez von Ärzte ohne Grenzen Mexiko

«Die Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die wir in Nuevo Laredo behandeln und beraten, kommen aus vielen Ländern, darunter Kuba, DR Kongo, Kamerun und Mexiko», sagt Hernandez. «Zweifellos sind es jedoch die Menschen aus Mittelamerika, die am anfälligsten für Entführungen sind. Genau sie werden jedoch aufgrund der Politik von ‹Remain in Mexico› in grosser Zahl nach Mexiko zurückgeschafft.»

Nuevo Laredo, Februar 2019

Nuevo Laredo, Februar 2019

© Juan Carlos Tomasi

Nuevo Laredo kann keine Aufnahmestadt für Menschen werden, die Schutz suchen

«Tamaulipas ist ein gutes Beispiel dafür, dass Mexiko nicht als ‹sicheres Land› für Menschen auf der Flucht angesehen werden kann», sagt Hernandez.

Sogar das Reisewarnsystem des US-Aussenministeriums klassifiziert Tamaulipas State als Kategorie 4. Dabei handelt es sich um die höchste Warnstufe, die oft für Kriegsländer verwendet wird. Aufgrund der hohen Kriminalität und der Entführungsgefahr werden Bürgerinnen und Bürgern aus den USA gewarnt, keine Reisen dorthin zu unternehmen.

Die kriminellen Gruppen richten ihre Aktivitäten gezielt auf Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie auf Migrantinnen und Migranten, sobald diese in Nuevo Laredo ankommen. Das legen von Ärzte ohne Grenzen gesammelte Zeugenaussagen nahe.

Sie werden an Busbahnhöfen entführt. Sie werden in Häusern festgehalten und erpresst, geschlagen und angegriffen. Einige erhalten Morddrohungen, sie werden für lange Zeiträume für Zwangsarbeit festgehalten, sexuell ausgebeutet oder von kriminellen Organisationen zwangsrekrutiert.

Maria Hernandez von Ärzte ohne Grenzen Mexiko

Erst letzte Woche verurteilte Ärzte ohne Grenzen die jüngsten Überfälle und Massenverhaftungen von Migrantinnen und Migranten durch mexikanische Behörden an der Südgrenze des Landes zu Guatemala. Diese Überfälle und Verhaftungen von Migrantinnen und Migranten auf den Migrationsrouten setzen sie grossen Gefahren aus – so beispielsweise kriminellen Banden, die am Menschenhandel beteiligt sind – und verhindern den Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Ärzte ohne Grenzen fordert die mexikanischen und US-amerikanischen Behörden auf, den Schutz von Menschen und die humanitäre Hilfe in den Mittelpunkt ihrer Migrationspolitik zu stellen. Die Entscheidungen, die diese Regierungen getroffen haben, um dieser Krise zu begegnen, haben verheerende humanitäre Folgen. Sie verstärken das Leid und gefährden das Leben Tausender von Menschen, die aus ihren Ländern fliehen.