Honduras, 07.06.2017
Honduras, 07.06.2017
© Christina Simons/MSF

Sexualisierte Gewalt: Umfassende Betreuung für die Betroffenen

Bei der Unterstützung von Betroffenen von sexualisierter Gewalt geht es um weit mehr als nur um medizinische Versorgung. Es ist wichtig, dass es in der Zivilgesellschaft Netzwerke gibt, die eine angemessene Betreuung der betroffenen Personen ermöglichen. Um eine Stigmatisierung zu vermeiden, sind die Dienste für Betroffene sexualisierter Gewalt meistens in allgemeinen Gesundheitsprogrammen oder in Projekten für Mutter-Kind-Versorgung integriert.

Unterstützung für Betroffene sexualisierter Gewalt in der Geschichte von MSF

In den Jahren nach der Gründung von MSF 1971 leistete die Organisation nur beschränkt Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt.

1999 startete MSF in Brazzaville das erste Projekt für Betroffene sexualisierter Gewalt im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo. Damals kam es massenhaft zu Vergewaltigungen vertriebener Frauen durch die Streitkräfte. Seitdem hat MSF eine Reihe von Massnahmen für die Betroffenen entwickelt. Die Organisation hilft sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten. Während einem Krieg kommt es häufig in grossem Umfang zu sexualisierten Übergriffen durch die Streitkräfte, aber auch in Friedenszeiten ist sexualisierte Gewalt an Orten, in denen die Schwächsten ausgebeutet werden, weit verbreitet. Beispiele hierfür sind Slums, Geflüchtetenlager oder allgemein Orte, wo extreme Armut herrscht.

Angebote von MSF

MSF bietet den Betroffenen die benötigte medizinische Versorgung, stellt aber auch andere Hilfeleistungen zur Verfügung: provisorische Unterkünfte, Kontakt mit den Sozialdiensten, materielle Hilfe, ein gerichtsmedizinisches Zertifikat oder Unterstützung bei Rechtsverfahren.

    Folgen von sexualisierter Gewalt

    • Körperliche Verletzungen
    • Psychische Traumata (Posttraumatischer Stress, Depression)
    • Sexuell übertragbare Krankheiten
    • Unerwünschte Schwangerschaft

    Medizinische Hilfsmassnahmen von MSF für Betroffene sexualisierter Gewalt

    • Behandlung der körperlichen Verletzungen
    • Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten
    • Impfung gegen Hepatitis B und Tetanus
    • HIV-Prophylaxe, wenn die Person innerhalb von 72 Stunden nach dem Übergriff erscheint
    • Notfallverhütung, wenn die Person innerhalb von 120 Stunden nach dem Übergriff erscheint
    • Psychologische Hilfe

    Frühzeitig medizinische Betreuung

    Eine Vergewaltigung wird als medizinischer Notfall behandelt, denn gewisse Folgeerscheinungen können bei einer raschen Versorgung der Betroffenen vermieden werden.

    Innerhalb von 72 Stunden nach dem Übergriff kann das medizinische Team eine HIV-Prophylaxe verabreichen. Die Postexpositionsprophylaxe, die Patient*innen während 28 Tagen einnehmen müssen, kann eine Ansteckung mit dem HI-Virus verhindern. Je schneller mit der Behandlung begonnen wird, desto wirksamer ist sie.

    Bis zu 120 Stunden nach dem Übergriff kann die «Pille danach» verschrieben werden, die eine unerwünschte Schwangerschaft verhindert.

    Eine Impfung kann Krankheiten wie Hepatitis B oder Tetanus, die durch Verletzungen entstehen können, verhindern. Gegen gewisse sexuell übertragbare Infektionskrankheiten wie Syphilis oder Chlamydia können Antibiotika verabreicht werden.

    Nach einem sexualisierten Übergriff sind viele Betroffene in einem Schockzustand; die Folgen können posttraumatischer Stress oder Depression sein. Die von MSF angebotene Unterstützung soll das Risiko für schwere psychologische Folgen verringern. Auch soll die Stigmatisierung rund um sexualisierte Gewalt bekämpft werden.

    Ein sehr wichtiger Teil der Betreuung von Betroffenen sexualisierter Gewalt sind Sensibilisierungsmassnahmen: Allzu häufig getrauen sich die Betroffenen nicht, von ihrem Übergriff zu erzählen, aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen, Stigmatisierung oder weil sie keine Anlaufstelle haben. MSF ermuntert alle Betroffenen, für eine Konsultation vorbeizukommen, selbst wenn der Übergriff schon länger zurückliegt.

    Unsere Hauptarbeit besteht darin, die Menschen zum Umdenken hinsichtlich sexualisierter Gewalt zu bewegen und bestehenden Tabus entgegenzuwirken, damit alle Betroffenen die nötige Behandlung bekommen können, und zwar nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei den Behörden. Selbstverständlich hat sexualisierte Gewalt einen kriminellen Aspekt, der unter Strafe gestellt werden muss. Uns geht es allerdings in erster Linie um den medizinischen Notfall.

    Mame Anna Sane, medizinischer Projektleiter in Mambasa, DR Kongo

    In vielen Programmen von MSF zum Thema sexualisierte Gewalt gehören auch Kinder zu den Opfern, manchmal noch sehr kleine, die häufig von jemandem aus ihrem Umfeld missbraucht wurden. Die Betreuung dieser Kinder erfordert ein spezielles Behandlungsprotokoll und eine besondere Vorgehensweise.

    Psychologische Unterstützung, ein zentraler Bestandteil

    Psychologische Hilfe ist ein zentraler Bestandteil der Betreuung von Betroffenen sexualisierter Gewalt. MSF bietet Einzelkonsultationen, aber auch Gruppensitzungen an, denn manchmal hilft es den Betroffenen bei der Bewältigung ihres Traumas, sich mit Menschen auszutauschen, die das Gleiche erlebt haben.