Südsudanesische Flüchtlinge auch in Ost-Darfur in Not
© Jinane Saad/ MSF
Sudan5 Min.
Das Lager Kario ist das Aufnahmezentrum, in dem sich alle Neuankömmlinge aus dem Südsudan zunächst melden müssen, bevor ihnen eine Unterkunft zugewiesen wird. Täglich werden neue Flüchtlinge vom Aufnahmepersonal des Lagers registriert, die meisten aus dem Südsudan.
«Wir hatten nichts zu essen, keine Arbeit und schliesslich auch kein Zuhause mehr», erzählt Amel. «Mein Haus wurde vom Regen vollkommen zerstört, und ich bin mit meinen beiden Kindern von fünf Jahren und von sechs Monaten geflohen. Meinen neunjährigen Sohn musste ich zurücklassen, da ich nicht genügend Geld für die Busfahrkarte für alle vier hatte.» Amel stammt aus Gok Mashar im Südsudan und lebt derzeit im Lager Kario im sudanesischen Bundesstaat Ost-Darfur.
«Ich bin ins Lager Kario gekommen, weil ich hoffte, hier würde alles besser werden. Aber jetzt lebe ich seit einem Monat mit meinen Kindern in diesem Aufnahmezelt, wo ständig neue Flüchtlinge ankommen, und habe noch immer keine eigene Unterkunft.»
Zwei Mal pro Woche kommt ein MSF-Team vorbei und untersucht den Gesundheitszustand der Neuankömmlinge. Sie werden geimpft, auf Mangelernährung untersucht und nötigenfalls in das MSF-Spital in Kario überwiesen.
Erneute Flucht vieler Südsudanesen in den Sudan
Durch den Konflikt und die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Südsudan wurden Millionen Menschen vertrieben, und etwa ein Drittel der südsudanesischen Bevölkerung befindet sich auf der Flucht. Viele Südsudanesen, die nach der Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011 aus dem sudanesischen Bundesstaat Ost-Darfur in die Heimat zurückgekehrt waren, müssen nun aufgrund des anhaltenden Konflikts erneut fliehen.
Derzeit leben nach Angaben des UNHCR über 750'000 südsudanesische Flüchtlinge im Sudan. Ungefähr 100'000 dieser Flüchtlinge befinden sich in Ost-Darfur, wo MSF im Juli 2017 im Lager Kario ein Spital aufgebaut hat. Das Lager Kario ist mit ungefähr 20'000 Bewohnern die grösste Flüchtlingssiedlung in Ost-Darfur.
Vanessa Rossi, MSF-Einsatzleiterin in Ost-Darfur, sagt über die Lebensbedingungen der Flüchtlinge im Lager Kario: «Die meisten Flüchtlinge hier haben kein regelmässiges Einkommen, manchmal arbeiten sie auf einheimischen Farmen, aber natürlich saisonal.»
Sie fügt hinzu: «Die Flüchtlinge leben in selbst gebauten Unterkünften aus Holz und Gras. Meist sind es Familien von fünf bis zehn Personen, die sich eine enge Unterkunft teilen müssen. Das Lager ist nun voll, und die Menschen nutzen die verdreckten Latrinen ausserhalb ihrer Unterkünfte. Bald kommt die Regenzeit, die lang und schwierig wird. Sowohl im Lager als auch in der Umgebung werden sich morastige Stellen und stehende Wasserflächen bilden.»
Die Lebensbedingungen im Lager Kario sind besorgniserregend. Die Menschen haben nicht genug zu essen, und darunter leiden am meisten die Kinder sowie schwangere und stillende Frauen. Wenn sich die Lage nicht ändert, wird die Zahl der Menschen mit schwerer Mangelernährung stark zunehmen, vor allem in der Übergangszeit* von Mai bis Oktober.
Der MSF-Arzt Mohamed Zakria beschreibt den Gesundheitszustand der Bevölkerung im Lager so: «Wegen der Hitze und des Staubs haben viele Menschen Infektionen der oberen Atemwege, vor allem Kinder unter fünf Jahren. Dazu kommen Patienten mit Lungenentzündung, Dehydrierung und auch Fälle von Malaria.»
«Wir behandeln auch viele Kleinkinder mit neonataler Sepsis, einer bakteriellen Blutvergiftung bei Neugeborenen», fährt er fort, «und viele Frauen bekommen Kindbettfieber, eine bakterielle Infektion des weiblichen Geschlechtstrakts während oder nach der Geburt. Der Grund dafür ist, dass viele Frauen zuhause entbinden, wo es oft an den nötigen Hygienevorkehrungen fehlt. Wir müssen deshalb mehr tun, um die Menschen im Lager und im Umland über Gesundheitsfragen aufzuklären.»
Die Präsenz von MSF in der Region ist wichtig, um den Gesundheitsbedarf der Bevölkerung zu decken und grösseren Schwierigkeiten vorzubeugen.
Positive Auswirkungen des MSF-Projekts im Lager Kario in Ost-Darfur
Ibrahim Korina ist Gemeindevorsteher von Kario und wurde als Vertreter der Bevölkerung über die Dienstleistungen von MSF im Lager Kario befragt. «Die Gesundheitsdienstleistungen von MSF», sagt er, «stehen sowohl den Flüchtlingen als auch der ansässigen Bevölkerung zur Verfügung.
MSF startete den Einsatz in Kario im Juli 2017, als viele Fälle mit Akuter Wässriger Diarrhö (AWD) gemeldet worden waren. MSF eröffnete sofort Zentren zur Durchfallbehandlung mit 20 Betten, bis die Fallzahlen wieder abnahmen. In der Zwischenzeit wurde das MSF-Gesundheitszentrum in Kario zu einem Spital aufgerüstet, das den annähernd 40'000 Menschen in der Region eine kostenlose medizinische Grundversorgung und weiterführende Behandlungen anbietet, inklusive Entbindungsstation, Ernährungshilfe und Impfprogramme.
In der ambulanten Station werden täglich zwischen 200 und 300 Konsultationen abgehalten, sowohl für Flüchtlinge als auch für die einheimische Bevölkerung. Die stationäre Abteilung verfügt über 20 Betten, und Notfälle werden an das Spital in der Stadt Ed Daein überwiesen.
Dar Alnaeem ist 20 Jahre alt und lebt im Dorf Kario. «Früher haben die Frauen mit einer traditionellen Hebamme aus der Gemeinde zuhause entbunden», erzählt sie, «denn es gab kein Gesundheitszentrum in der Nähe. Als ich erfuhr, dass im MSF-Zentrum eine Entbindungsstation eröffnet wird, beschloss ich, mein Baby dort zur Welt zu bringen, das ist sicherer. Nach der Geburt wurden mein Baby und ich noch 24 Stunden dort zur Kontrolle dabehalten, und so wurde entdeckt, dass der Kleine für eine Nachbehandlung noch im Zentrum bleiben muss.»
Seit dem Ausbruch der Akuten Wässrigen Diarrhö im letzten Jahr gehören Präventionsanstrengungen zu den Hauptanliegen von MSF. «Wenn wir hier vor Ort arbeiten, können wir mögliche Fälle sofort erkennen und schnell die nötigen Massnahmen einleiten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern», erklärt Vanessa Rossi.
Im Dezember 2017 hat MSF in einer einwöchigen Impfkampagne insgesamt 19'000 Kinder gegen Masern geimpft. Jeden Tag klären 25 Gesundheitshelfer im Lager die Menschen über Gesundheitsfragen auf.
Das MSF-Spital in Kario hat seine Kapazitäten zur Gesundheitsversorgung der steigenden Zahl von Patienten weiter ausgebaut.
Trotz des verbesserten Zugangs zu Gesundheitsdienstleistungen sind die Menschen im Lager nach wie vor stark gefährdet. Es gibt Bedenken, ob ihr Grundbedarf gedeckt werden kann: Sie brauchen dringend Trinkwasser, Nahrungsmittel, saubere sanitäre Anlagen und angemessene Unterkünfte. Vor allem im Aufnahmezentrum herrschen menschenunwürdige Bedingungen, die sich auf die psychische Verfassung der Menschen auswirken. Deshalb sollten auch andere humanitäre Akteure ihr Angebot aufstocken und darauf achten, dass geeignete Kontrollmechanismen vorhanden sind, um die Wirkung der Massnahmen zu beurteilen. Denn die derzeit in Kario angebotene humanitäre Hilfe reicht bei weitem nicht aus.
© Jinane Saad/ MSF