Zum Welt-Aids-Tag: Immer noch grosse Herausforderungen in der DR Kongo
© Tommy Trenchard/Panos Pictures
HIV/Aids4 Min.
2002 eröffnete Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in Kinshasa die erste ambulante Anlaufstelle für HIV-positive Menschen. Betroffene erhielten dort kostenlos Medikamente. Zwanzig Jahre später sind im Land zwar beträchtliche Fortschritte zu verzeichnen, doch noch immer haben zu viele Menschen keinen Zugang zu Tests und Therapien. Die Folge: jährlich tausende Todesfälle, die vermieden werden könnten.
Als im Mai 2002 das neue Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen seine Türen öffnete, war die Lage kritisch:
Mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder waren HIV-positiv; jedes Jahr starben gemäss UNAIDS zwischen 50 000 und 200 000 Menschen an den Folgen des Virus.
In der damaligen Zeit war eine HIV-Ansteckung für viele ein Todesurteil.
«Die antiretrovirale Therapie (ART) gab es zwar schon, doch für die meisten Patient:innen war sie unerschwinglich. Selbst Ärzte ohne Grenzen hatte in den ersten Monaten keine ART zur Verfügung und musste sich mit der Behandlung von Symptomen und Begleiterkrankungen begnügen. Das war hart», erklärt Dr. Maria Mashako.
Clarisse Mawika, heute 60 Jahre alt, wurde 1999 HIV-positiv getestet und hat diese dunkle Zeit am eigenen Leib miterlebt.
«Ich denke nicht gerne an diese Jahre zurück», sagt sie. «Als man mir das Testergebnis mitteilte, dachte ich mir, «nun kannst du dein Begräbnis vorbereiten». Zum Glück hat meine Familie zusammengelegt, um mir Medikamente aus Europa schicken zu lassen. Doch irgendwann ging ihnen das Geld aus und ich konnte mehrere Monate lang keine Medikamente nehmen. Es ging mir immer schlechter. Dann erzählte mir jemand von Ärzte ohne Grenzen.»
Ärzte ohne Grenzen bringt Fortschritte im Kampf gegen HIV/Aids
Unser Zentrum war die erste Einrichtung in Kinshasa, in der HIV-positive Menschen kostenlos antiretrovirale Medikamente erhielten. Das sprach sich schnell herum, so dass das Zentrum regelrecht überrannt wurde.
Es waren unhaltbare Zustände. Die Sprechstunden begannen bei Tagesanbruch und dauerten bis in die Nacht hinein. Es gab so viele Patienten.
Um die Behandlungsangebote noch mehr Menschen zugänglich zu machen, starteten wir ein Unterstützungsprogramm für Gesundheitszentren und Spitäler. Allein in Kinshasa profitierten dreissig Gesundheitseinrichtungen von unserer Hilfe.
Daneben führten wir ein neues Behandlungsmodell ein, das es erstmals Pflegefachleuten ermöglichte, antiretrovirale Medikamente zu verschreiben und HIV-positive Menschen zu betreuen.
Dank dieser Anstrengungen erhielten in 20 Jahren fast 19 000 Personen kostenlos eine ART. Zudem schulten unsere Teams zahlreiche Mitarbeitende des Gesundheitsministeriums.
Mawika war massgeblich an der Lancierung von lokalen Medikamentenabgabestellen beteiligt. «Als wir 2010 die zwei ersten Abgabestellen in Kinshasa eröffneten, wurden diese von weniger als 20 Patienten genutzt. Heute gibt es diese Stellen in acht Provinzen und über 10 000 Personen holen dort ihre Medikamente ab.» Dieses Vorgehen erwies sich als so wirksam, dass es nun Teil der nationalen Bekämpfungsstrategie von HIV/Aids ist.
Kranke in fortgeschrittenem Stadium: Zeichen für Versorgungslücken
Im Vergleich zu 2002 hat sich die Situation zweifellos verbessert: Die Zahl der Neuinfektionen ist um die Hälfte gesunken.
«2008 eröffneten wir eine stationäre Abteilung, da immer wieder Kranke in fortgeschrittenem Stadium zu uns kamen», erklärt Mashako. «Wir haben die Bettenkapazität mittlerweile verdoppelt, doch es kommt noch immer vor, dass wir Zelte errichten müssen, um alle unterzubringen.»
Seit der Eröffnung sind auf dieser Abteilung mehr als 21 000 Personen stationär versorgt worden.
2021 schätzte UNAIDS:
- dass jede fünfte der 540 000 HIV-positiven Personen in der DR Kongo keinen Zugang zu Behandlungen hat
- 14 000 Menschen an den Folgen der Krankheit gestorben sind
2022 unterstützen wir das Gesundheitsministerium bei der Bekämpfung von HIV/Aids in Kinshasa und in sechs Provinzen des Landes (Nordkivu, Südkivu, Maniema, Ituri, Kasaï-Oriental und Kongo-Central). Konkret behandeln unsere Teams Patient:innen, geben Schulungen für Gesundheitspersonal und stellen Material zur Verfügung.
Überblick über die HIV-Bekämpfungsmassnahmen von Ärzte ohne Grenzen in der DR Kongo:
2002: Eröffnung des ersten kostenlosen Behandlungszentrums in Kinshasa
2003: Einführung der kostenlosen ART in den Anlaufstellen
2004: Unterstützung bei der Gründung einer Vereinigung für HIV-positive Menschen
2005: «Dezentralisierung» der HIV-Behandlung
2006: Tests und Behandlung von HIV/STI für Sexarbeitende
2008: Eröffnung einer stationären Abteilung für HIV-Kranke in fortgeschrittenem Stadium
2009: Neues System zur Abgabe von ART
2010: Lancierung der lokalen Medikamentenabgabestellen
2012: Aufstockung des Versorgungsangebots; Kritik an fehlenden Mitteln
2013: Klinische Fortbildungen zum Thema HIV/Aids
2015: Erhöhung der Bettenkapazitäten; Verweis auf ART-Engpässe
2017: Kritik an fehlenden Mitteln zur Behandlung fortgeschrittener HIV-Erkrankungen; Kampagne gegen die Stigmatisierung
2018: Erweiterter Zugang für Tests zur Viruslastbestimmung und für die Frühdiagnose bei Neugeborenen
2019: Lancierung von Jugendtreffs für HIV-Betroffene
© Tommy Trenchard/Panos Pictures