Gaza: Die jüngsten, heftigen Kämpfe im Zentrum des Gazastreifens zeigen erneut die unmenschliche Behandlung der Zivilbevölkerung
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Palästinensische Autonomiegebiete2 Min.
Aufgrund zahlreicher Militäroffensiven in den letzten Wochen kam es in den von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) unterstützten medizinischen Einrichtungen in Rafah und im Zentrum des Gazastreifens immer wieder zu sehr vielen Verletzten. Die Angriffe haben zu inakzeptablem Schmerz und Leid geführt und zeigen klar, dass das Leben von Palästinenser:innen nicht respektiert wird.
Allein am 8. Juni wurden mehr als 60 Schwerverletzte, darunter bewusstlose Kinder, in das von der Hilfsorganisation unterstützte Nasser-Spital eingeliefert. Im Al-Aqsa-Spital waren medizinische Teams von Ärzte ohne Grenzen mit 420 Verwundeten und 190 Toten konfrontiert, darunter auch viele Kinder. Sie sahen vor allem schwere Verletzungen, die auf die intensiven Angriffe zurückzuführen sind: fehlende Gliedmassen, Verbrennungen und offene Brüche. Gemäss Angaben der lokalen Gesundheitsbehörden wurden an diesem Tag 274 Menschen getötet.
Wie kann die Ermordung von mehr als 800 Menschen in einer einzigen Woche, darunter auch Kleinkinder, und die Verstümmelung von Hunderten von Menschen als Militäroperation betrachtet werden, die mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar ist? Die Behauptung, Israel treffe ‹alle Vorsichtsmassnahmen›, können wir nicht mehr akzeptieren – das ist reine Propaganda.
Zuvor hatte Israel in derselben Woche wiederholt sogenannte Schutzzonen bombardiert, die auch von den israelischen Streitkräften offiziell als solche ausgewiesen worden waren: Geflüchtetencamps, eine Schule und mehrere Camps für humanitäre Hilfe. Am 4. Juni führten schwere Angriffe im Zentrum des Gazastreifens zu mindestens 70 Toten und über 300 Verletzten, vor allem Frauen und Kinder. Sie wurden mit schweren Verbrennungen, Schrapnellwunden und Knochenbrüchen in das Al-Aqsa-Spital gebracht.
Ärzte ohne Grenzen fordert Israel auf, diese Angriffe umgehend zu beenden. Wir appellieren an die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Israel dazu zu bewegen, die Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Infrastrukturen im Gazastreifen einzustellen.
Dieser Krieg ist von einer unmenschlichen Behandlung der Zivilbevölkerung geprägt. Floskeln wie ‹Krieg ist hässlich› verharmlosen die Tatsache, dass Kinder, die noch nicht laufen können, verstümmelt und getötet werden.
Die Angriffe sind die jüngsten in einer ganzen Reihe von Gräueltaten. Wiederholt wurde gezeigt, dass es in Bezug auf die Gewalt keine rote Linie und auch keinen Wendepunkt gibt. Das sogenannte «Mehlmassaker» oder die Tötung von Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen und ihren Familien sowie die Zerstörung von Spitälern und des Gesundheitssystems haben bisher nur zu schwachen diplomatischen Äusserungen, leeren Worten und erschütternder Untätigkeit geführt.
Neue Resolution des UN-Sicherheitsrats
Am 10. Juni wurde die von den Vereinigten Staaten eingebrachte Resolution im UN-Sicherheitsrat angenommen, in der ein Waffenstillstand und die ungehinderte Bereitstellung humanitärer Hilfe gefordert wurden. Dieser Waffenstillstand und die damit einhergehende Lieferung von Hilfsgütern müssen unverzüglich ermöglicht und im Gegensatz zu früheren und ähnlichen Resolutionen mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, wird dies noch mehr Menschenleben kosten und einen weiteren Schandfleck auf dem kollektiven Gewissen hinterlassen.
Entgegen den wiederholten öffentlichen Erklärungen der israelischen Behörden wird die humanitäre Hilfe seit Oktober von ihnen stark behindert. Dies hat eine medizinische Grundversorgung nahezu unmöglich gemacht. Feldspitäler sind nur notwendig, weil das Gesundheitssystem im Gazastreifen systematisch zerschlagen wurde – sie können aber ein robustes und funktionierendes Gesundheitssystem keinesfalls ersetzen.
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