Panama entzieht der Aquarius auf Druck Italiens die Registrierung

Mittelmeer, 20.09.2018

4 Min.

MSF und SOS Méditerranée sind von der Ankündigung der Panamaischen Schifffahrtsbehörde (PMA) erschüttert, der Aquarius die Registrierung zu entziehen. Dies geschah unter offenkundigem wirtschaftlichem und politischem Druck der italienischen Regierung.

Diese Ankündigung gefährdet hunderte Männer, Frauen und Kinder, die verzweifelt auf der Suche nach Sicherheit sind. Für die lebensrettende Seenothilfe der Aquarius stellt dies einen schweren Rückschlag dar. Die Aquarius ist das einzige verbliebene nichtstaatliche Such- und Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer.

Italienische Behörden forderten «Sofortmassnahmen» gegen Aquarius

Am Samstag, 22. September, war das Aquarius-Team schockiert, als es von einer offiziellen Mitteilung an den Eigner des Schiffes, Jasmund Shipping, erfuhr. Die italienischen Behörden hätten darin die Panamaische Schifffahrtsbehörde (PMA) aufgefordert, dringend «Sofortmassnahmen» gegen die Aquarius zu ergreifen. In der Mitteilung hiess es: «Leider ist es notwendig, sie [die Aquarius] aus unserer Registrierung auszuschliessen, weil dies ein politisches Problem für die panamaische Regierung und die panamaische Flotte darstellt, wenn diese in europäischen Häfen einläuft.» Diese Nachricht kam trotz der Tatsache, dass die Aquarius alle maritimen Standards und strengen technischen Spezifikationen erfüllt, die der Flaggenstaat Panama fordert.

SOS Méditerranée und Médecins Sans Frontière/Ärzte ohne Grenzen (MSF) werten die Aktionen als weiteren Beweis dafür, dass die italienische Regierung in Kauf nimmt, dass schutzlose Menschen auf See sterben und keine Zeugen anwesend sind, um die Toten zu zählen.

Die europäischen Politiker scheinen keine Skrupel zu haben, zunehmend bösartige Taktiken anzuwenden, die auf Kosten von Menschenleben ihren eigenen politischen Interessen dienen.

Karline Kleijer, Leiterin der Nothilfe im Mittelmeer

In den vergangenen zwei Jahren haben europäische Staats- und Regierungschefs bestätigt, dass niemand auf See sterben dürfe, aber gleichzeitig haben sie gefährliche Strategien verfolgt, die die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeerraum und in Libyen zusätzlich verschärft haben», fährt Kleijer fort. «Diese Tragödie muss ein Ende haben. Das ist nur möglich, wenn die EU-Regierungen der Aquarius und anderen Such- und Rettungsschiffen erlauben, weiterhin lebensrettende Hilfe zu leisten und dort Zeugen zu sein, wo es so dringend nötig ist».

Über 1250 Tote im Mittelmeer seit Jahresbeginn

Seit Beginn des Jahres sind mehr als 1‘250 Menschen bei dem Versuch ertrunken, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Das Risiko, bei der Überfahrt zu ertrinken, ist für die Menschen dreimal höher als noch 2015. Die tatsächliche Zahl der Toten liegt wahrscheinlich viel höher, da nicht alle Fälle beobachtet oder aufgezeichnet werden. Das Schiffsunglück Anfang September, bei dem schätzungsweise mehr als 100 Menschen ertranken, machte dies deutlich.

Unterdessen fängt die von der EU unterstützte libysche Küstenwache immer mehr Menschen auf See ab und verwehrt den Überlebenden das Recht, an einem sicheren Ort auszusteigen, wie es das Internationale See- und Flüchtlingsrecht vorsieht. Stattdessen werden sie in libysche Internierungslager zurückgebracht, von denen einige von den aktuellen schweren Kämpfen in Tripolis betroffen sind.

Fünf Jahre nach der Tragödie von Lampedusa, als die europäischen Regierungen ‚Nie wieder‘ sagten, riskieren die Menschen noch immer ihr Leben, um aus Libyen zu flüchten.

Sophie Beau, Vizepräsidentin von SOS Méditerranée

«Fünf Jahre nach der Tragödie von Lampedusa, als die europäischen Regierungen ‚Nie wieder‘ sagten und Italien seine erste gross angelegte Such- und Rettungsaktion startete, riskieren die Menschen immer noch ihr Leben, um aus Libyen zu flüchten. Unterdessen explodieren im Mittelmeer die Todeszahlen», betont Beau. «Europa kann es sich nicht leisten, auf seine Grundwerte zu verzichten.»

Die Nachrichten der panamaischen Schifffahrtsbehörde trafen auf der Aquarius während einer Such- und Rettungsaktion im zentralen Mittelmeer ein. In den vergangenen drei Tagen halfen die Teams zwei Booten in Seenot und haben im Moment 58 Überlebende an Bord, von denen einige von ihren Erfahrungen auf See und in Libyen sehr erschöpft sind. Sie müssen dringend an einem sicheren Ort an Land gehen, in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht. Während des gesamten Einsatzes und bei allen bisherigen Rettungseinsätzen hat die Aquarius die volle Transparenz bewahrt und ist allen Anweisungen aller maritimen Koordinierungszentren und den internationalen maritimen Konventionen nachgekommen.

SOS Méditerranée und MSF fordern die europäischen Regierungen auf, der Aquarius zu erlauben, den Einsatz fortzusetzen. Sie müssen entweder den panamaischen Behörden versichern, dass die Drohungen der italienischen Regierung unbegründet sind, oder der Aquarius sofort eine neue Flagge ermöglichen, unter der das Schiff fahren kann.

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