Sudan: Neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt katastrophale Folgen der Gewalt

Kugel wird aus dem Hals einer Frau entfernt, die im Spital von Abéché behandelt wird.

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Der seit über einem Jahr andauernde Krieg im Sudan hat verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Ein heute veröffentlichter Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt das enorme Ausmass der Gewalt, der die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist. Er stützt sich auf medizinische und operative Daten, die zwischen dem 15. April 2023 und dem 15. Mai 2024 gesammelt wurden.

Im Sudan gibt es nahezu keinen Schutz für die Bevölkerung vor willkürlichen Übergriffen, Tötungen, Folter und sexualisierter Gewalt. Immer wieder kommt es auch zu Angriffen auf medizinisches Personal und medizinische Einrichtungen. Der Bericht «A war on people - The human cost of conflict and violence in Sudan» (English) beschreibt die Muster der Gewalt, die sowohl von den sudanesischen Streitkräften als auch von den Rapid Support Forces (RSF) ausgeübt wird.

Die Schätzungen über die Gesamtzahl der bislang verletzten oder getöteten Menschen im Sudan schwanken. Dennoch zeigen einzelne Daten das hohe Ausmass der Gewalt in diesem Krieg. In Omdurman (Bundesstaat Khartum) wurden im Al Nao Spital, das von Ärzte ohne Grenzen unterstützt wird, zwischen dem 15. August 2023 und dem 30. April dieses Jahres 6776 Patient:innen aufgrund von Verletzungen behandelt, die durch Gewalt verursacht wurden; das sind durchschnittlich 26 Menschen pro Tag. Ärzte ohne Grenzen hat im ganzen Land Tausende Patient:innen wegen kriegsbedingter Verletzungen behandelt, die meisten verursacht durch Explosionen, Schüsse und Messerstiche.

Der Bericht enthält darüber hinaus schockierende Berichte über sexualisierte Gewalt, insbesondere in Darfur. In den Geflüchtetencamps im Tschad, unweit der sudanesischen Grenze, befragten die Teams von Ärzte ohne Grenzen 135 Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben und die zwischen Juli und Dezember 2023 behandelt wurden. 90 Prozent der Frauen waren von einem bewaffneten Täter vergewaltigt worden. 50 Prozent der Befragten waren in ihren eigenen Häusern missbraucht worden, 40 Prozent von mehreren Angreifern

Im Bericht finden sich auch Aussagen zu gezielter ethnischer Gewalt in Darfur. In Nyala, Süd-Darfur, schilderten Menschen, wie die RSF und verbündete Milizen im Sommer 2023 von Haus zu Haus gingen und Angehörige nicht-arabischer Ethnien schlugen und töteten.

Immer wieder wurden Spitäler geplündert und angegriffen. Ärzte ohne Grenzen hat mindestens 60 Vorfälle von Gewalt und Angriffen auf Mitarbeitende, Ausrüstung oder Infrastruktur dokumentiert. Im Juni erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass in schwer zugänglichen Gebieten nur noch 20 bis 30 Prozent der Gesundheitseinrichtungen funktionstüchtig sind.

Obwohl die offiziellen Gesundheitseinrichtungen die Bevölkerung nicht mehr angemessen versorgen können, werden humanitäre und medizinische Organisationen häufig daran gehindert, Unterstützung zu leisten. Zwar haben die Behörden begonnen, den Visa-Prozess für Mitarbeitende humanitärer Organisationen etwas zu vereinfachen. Nach wie vor behindern bürokratische Hürden wie die Verweigerung von Reisegenehmigungen für Menschen und lebenswichtigen Güter jedoch die Bereitstellung lebenswichtiger medizinischer Versorgung.

«Indem sie Dienste blockieren und behindern, wenn die Menschen sie am dringendsten brauchen, können Stempel und Unterschriften im Sudan genauso tödlich sein wie Kugeln und Bomben», sagt Vickie Hawkins, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in den Niederlanden. «Wir fordern alle Kriegsparteien auf, die Ausweitung der humanitären Hilfe zu erleichtern. Vor allem müssen sie diesen sinnlosen Krieg gegen die Menschen beenden, indem sie die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, zivile Infrastruktur und Wohngebiete unverzüglich einstellen.»