DR Kongo: «Wenn wir nichts unternehmen, ist die Bevölkerung hier zum Tode verurteilt»
Demokratische Republik Kongo2 Min.
Narcisse Wega Kwekam ist stellvertretender Leiter der Notfall-Einheit von MSF und war vor Kurzem in der kongolesischen Provinz Tanganyika, wo gewaltsame Ausschreitungen zwischen Volksgruppen grosse Bevölkerungsteile zur Flucht zwangen.
Viele leben in improvisierten Lagern und der Zugang zu Nahrung ist ein grosses Problem. Die instabile Sicherheitslage hat verheerende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung und deren Zugang zu medizinischer Versorgung.
„Die Bewohner mussten aufgrund von Zusammenstössen zwischen verschiedenen Volksgruppen ihre Dörfer verlassen, um sich vor der Gewalt in Sicherheit zu bringen. Mit den wachsenden Spannungen kamen immer mehr Familien in die behelfsmässig eingerichteten Lager, wo die Menschen mit Stroh und anderen vor Ort gefundenen Materialien einen Unterschlupf improvisierten. Monate später bleibt die geleistete Hilfe noch immer unzureichend oder ganz aus. In manchen Lagern gibt es kein Wasser, kein Essen und keine medizinische Versorgung.
Wir waren in Tanganyika, wo wir auf eine heftige Masern-Epidemie in schwer zugänglichem Gebiet reagierten, als wir das Dorf Moke erreichten. Was wir im Dorf vorfanden, haben wir vorher kaum je gesehen. Die Menschen waren apathisch, lagen auf dem Boden und waren nicht fähig aufzustehen. 1‘500 Menschen lebten im Dorf und als wir den Friedhof besuchten, fanden wir 95 Gräber, wovon 90 Prozent von Kindern waren. Ein von MSF im April durchgeführtes Screening ergab, dass 51Prozent der Kinder mangelernährt waren, darunter litten 23Prozent an schwerer akuter Mangelernährung.
Wir haben so schnell wie möglich mobile Kliniken eingerichtet und die mangelernährten Kinder und Erwachsenen behandelt. Wir verteilten auch grundlegende Hilfsgüter wie Moskitonetze und Zeltplanen. Zu den häufigsten Erkrankungen hier gehören Malaria und Lungenentzündung.
Diese Menschen leben unter katastrophalen Bedingungen. Sie brauchen Schutz und wollen wieder in ihre angestammten Regionen zurückkehren. Die Aufgabe von MSF ist es neben der medizinischen Hilfe auch, die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam zu machen, damit alle beteiligten Akteure ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Wenn wir nichts unternehmen, ist die Bevölkerung hier zum Tode verurteilt. Wir sehen das mit eigenen Augen: Jedes Mal, wenn wir zurückkommen, steigt die Zahl der Todesfälle.
Wir als MSF werden weiterhin von unseren Erfahrungen berichten, auch wenn dies einigen Menschen nicht passt. Jeder muss Verantwortung übernehmen. Es gibt sicherlich noch weitere Orte mit vertriebenen Menschen in ähnlichen Situationen und mit denselben Bedürfnissen. Wir sind bereit, unserer Stimme Gehör zu verschaffen und alle Beteiligten zum Handeln zu bewegen.“