Erdbeben in Syrien: «Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen die Menschen in der Region erreichen»
© MSF
Syrien2 Min.
Die Situation im Erdbebengebiet im Nordwesten des Landes bleibt prekär. Fast 500 Mitarbeiter:innen von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) setzen ihre Hilfe im Nordwesten Syriens fort. Ahmed Rahmo, Projektkoordinator für die Region Idlib, berichtet aus Gaziantep in der Türkei über die aktuelle Lage.
«Bisher ist nur sehr wenig internationale Unterstützung angekommen. Unsere Arbeit ist wichtig, aber sie ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Bedarf ist riesig», schildert Rahmo. «Wir kümmern uns um die Grundbedürfnisse, leisten medizinische Hilfe und stellen Nahrungsmittel sowie Wasser bereit.»
Die Menschen müssen ausserdem vor Cholera geschützt werden, deren Ausbreitung unter prekären Bedingungen sowie ohne Zugang zu sauberem Wasser begünstigt wird. Wir haben bereits im vergangenen Jahr Menschen nach einem Cholera-Ausbruch in Nordsyrien versorgt. «Unsere Organisation kann nicht den gesamten Bedarf vor Ort decken. Für die Bewohner im Nordwesten von Syrien haben sich die Lebensbedingungen noch weiter verschlechtert», betont Rahmo.
Die Spitäler in Syrien hatten angesichts der fehlenden Mittel und des schwierigen Zugangs zum Gebiet bereits vor dem Erdbeben grossen Engpässe. Der Transport von Hilfsgütern und Medikamenten aus der Türkei nach Syrien war stets eine Herausforderung, da Bab al-Hawa der einzige Grenzübergang für humanitäre Konvois war und im Fokus politischer Spannungen stand.
Nach den Erdbeben war der Grenzübergang Bab al-Hawa drei Tage lang geschlossen. Als er wieder geöffnet wurde, lief der Verkehr nur schleppend an.
Humanitäre Organisationen im Nordwesten Syriens haben ihre Notvorräte grösstenteils aufgebraucht. «Wir haben keine Zeit zu verlieren, um die Menschen in dieser Region zu erreichen. Die Lieferung von Hilfsgütern ist entscheidend.» Zwei Millionen Menschen leben aktuell in Camps für vertriebene Menschen in dem Gebiet, oft in Zelten, die Unwettern ausgesetzt sind.
Nur eine Woche vor dem Erdbeben wurde die Region von einem Schneesturm getroffen. Die Lebensbedingungen haben sich massiv verschlechtert. «Wir haben Heizgeräte, Decken und Matratzen gespendet. Die Temperaturen fallen nachts in den Minusbereich», erzählt unser Projektkoordinator. Die Zahl der Menschen steigt, die gezwungen sind, in die Camps zu kommen. «Wir haben neue Aufnahmezentren eröffnet, um sie unterzubringen. In der Region Idlib gibt es derzeit 15 Zentren. Zudem wurden mobile Kliniken eingerichtet, in denen in fünf Zentren medizinische Sprechstunden angeboten werden. Wir weiten diese Tätigkeit derzeit aus.»
Unsere Teams berichten täglich von tragischen Schicksalen. Einige der Überlebenden haben alles verloren: Ihre Häuser, ihre Kleidung, den Zugang zu Lebensmitteln, manchmal einen Teil ihrer Familie, ihr Geld, alles, und nun leben sie in Zelten. Sie brauchen Kleidung und Hygieneartikel, sie brauchen Wasser und Nahrung, sie brauchen alles!
Unsere Teams haben ausserdem medizinische Hilfsgüter an ein Dutzend Spitäler gespendet. «Wir reagieren auf eine Vielzahl von Bedürfnissen, die vor allem die Traumatologie, die Geburtshilfe oder die Dialyse betreffen.» Ein Teil des medizinischen Personals aus dem Spital in Atmeh, das auf die Behandlung von Brandopfern spezialisiert ist, wurde in Spitäler entsandt, deren Personal mit der Zahl der Verletzten überfordert war. Zudem wurde eine Krankenwagen-Flotte für Verlegungen zwischen den Spitälern mobilisiert.
© MSF