Ukraine: Rückblick auf ein Jahr Nothilfe
© Sara de la Rubia/MSF
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Der russische Angriff am 24. Februar 2022 liess den militärischen Konflikt in der Ukraine zu einem landesweiten Krieg eskalieren, der bereits 2014 im Osten des Landes begonnen hatte. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF), die seit 2015 Gesundheitsversorgung für die vom Konflikt betroffene Bevölkerung leisteten, haben ihre Aktivitäten seit einem Jahr erheblich ausgeweitet und sind nun in den meisten Gebieten unter ukrainischer Kontrolle präsent.
Die aktuelle Situation in der Ukraine
686 ukrainische und 124 aus dem Ausland eingereiste Mitarbeiter:innen sind derzeit in der Ukraine im Einsatz und leisten Hilfe. Die Lage in den umkämpften Gebieten ändert sich schnell.
Wir evaluieren die Situation kontinuierlich, um unsere Aktivitäten bestmöglich an die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen vor Ort anpassen zu können und unsere Mitarbeiter:innen zu schützen.
Der Krieg in der Ukraine hat Millionen Menschen zur Flucht ins Ausland gezwungen. Doch auch innerhalb der Ukraine stecken Millionen Vertriebene fest - dazu gehören vor allem Ältere, Menschen mit Beeinträchtigung und jene, denen die Mittel für die Reise fehlen.
Hilfsgüter liefern und medizinisches Personal schulen
Seit Kriegsbeginn herrscht ein Mangel an Medikamenten. Wir statten deshalb Gesundheitseinrichtungen in verschiedenen Teilen der Ukraine mit dringend benötigten Hilfsgütern aus. Darüber hinaus haben wir Mitarbeiter:innen zahlreicher ukrainischer Spitäler darin geschult, eine Vielzahl an Verletzten zu behandeln, die gleichzeitig eingeliefert werden (Triage).
Eine Intensivstation im Zug
Für die Evakuierung von Patient:innen aus den stark umkämpften Gebieten haben wir, in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Bahn und dem Gesundheitsministerium, einen medizinischen Zug entwickelt. Während der Fahrt überwachen Pflegepersonal und Ärzt:innen kontinuierlich die Patient:innen. Im Jahr 2022 hat der Zug 2558 Patient:innen evakuiert.
Mobile Kliniken in der Nähe der Frontlinie und in befreiten Gebieten
In Abstimmung mit den ukrainischen Behörden haben wir ein Notfallplan entwickelt, für den Fall, dass sich die Frontlinie bewegt. Ein mobiles medizinisches Team behandelt Menschen, die nahe der Frontlinie leben, und stellt ihre medizinische Grundversorgung sicher. Das Team evakuiert im Notfall auch Patient:innen und bringt sie in Sicherheit.
In Dnirpo und Saporischschja unterstützen wir Vertriebene, die zu Tausenden aus Mariupol und anderen umkämpften Gebieten kommen. Die Region ist für viele Geflüchtete aus dem Südosten der Ukraine die erste Station. Mobile Teams sind in mehr als 40 Unterkünften aktiv und versorgen die Menschen medizinisch, psychologisch sowie mit Hilfsgütern.
Insbesondere ältere Menschen und Patient:innen mit chronischen Krankheiten bleiben häufig in stark umkämpften Städten und Dörfern allein zurück - ohne jegliche medizinische Versorgung. Seit der ukrainischen Gegenoffensive im September 2022 leisten wir in den südlichen Regionen Cherson und Mykolajiw mit mobilen Teams medizinische Hilfe. So können wir auch diese Menschen unterstützen. Zu den häufigsten körperlichen Beschwerden gehören chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Asthma und Diabetes. Auch psychische Belastungen treten verstärkt auf.
Sicherung der Versorgung im Osten
In Luhansk und Donezk war der Bedarf an medizinischer Hilfe auch vor Februar 2022 besonders gross, da die Bevölkerung hier schon seit neun Jahren dem Krieg ausgesetzt ist.
In der Oblast Donezk unterstützen wir Spitäler und Gesundheitszentren unter anderem bei der medizinischen Grundversorgung, bei der Behandlung von chronischen Krankheiten und bei der Traumabehandlung. Ausserdem statten wir einige Spitäler mit Solaranlagen, Generatoren und Wasservorräten aus. So kann das dortige medizinische Personal die Arbeit auch dann fortsetzen, wenn die Strom- oder Wasserversorgung unterbrochen ist.
Mit Krankenwägen bringen wir Patient:innen weg von der Frontlinie in Spitäler, wo sie die notwendige medizinische Hilfe erhalten können. In der Region Donezk leisten wir Krankentransporte in Zusammenarbeit mit 16 Gesundheitseinrichtungen.
Psychologische Hilfe für Gesundheitspersonal in Kharkiv
Unsere Teams betreuen lokales Gesundheitspersonal, das unter enormem Druck und Anspannung steht. Viele arbeiten am Limit. Unsere Psycholog:innen bieten Einzel- und Gruppensitzungen und Trainings zur Stressbewältigung an.
Spezialisierte Dienstleistungen und Hilfe in weiteren Landesteilen
Im Gebiet Dnipro haben wir eine Klinik eröffnet, die ein Angebot rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit bereitstellt und sich auch um Opfer sexuslisierter Gewalt kümmert. Bis 2022 wurden 372 Beratungen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit durchgeführt.
In Kiew unterstützen unsere Teams Überlebende von Folter mit psychologischer Hilfe und Physiotherapie. Auch im Westen des Landes stellen wir eine medizinische Grundversorgung zur Verfügung. Insgesamt helfen wir in der Ukraine von 20 Orten aus und sind auch in den Nachbarländern Belarus, Polen und Russland präsent.
© Sara de la Rubia/MSF