Gefährlicher Diphtherie-Ausbruch in Nigeria
© Ehab Zawati/MSF
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Tausende haben sich bereits mit der Krankheit angesteckt; Hunderte Menschen sind daran gestorben. Den Teams von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) bereiten insbesondere die geringe Durchimpfungsrate und der weltweite Mangel an Diphtherie-Antitoxin Sorgen.
«Gegenwärtig haben wir mehr als 700 Verdachtsfälle, und jede Woche nehmen wir in den beiden Behandlungszentren im Bundesstaat Kano rund 280 Patient:innen auf», berichtet Dr. Hashim Juma Omar, Arzt in unserem Notfallprojekt. «Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind besonders anfällig, an Diphtherie zu erkranken. Auch aktuell in Kano sind sie am stärksten davon betroffen. Sie brauchen dringend Unterstützung.»
Diphtherie ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die tödlich verlaufen kann. Es gibt eine respiratorische und eine kutane Diphtherie. Unbehandelt kann die Krankheit lebensgefährlich sein und für bis zur Hälfte der erkrankten Personen tödlich enden. Auch mit Behandlung liegt die Sterblichkeit bei rund 5 Prozent.
Das Nigeria Centre for Disease Control and Prevention erklärte den Ausbruch am 20. Januar 2023 offiziell zur Epidemie. Von Mai 2022 bis Anfang September 2023 sind mehr als 6000 bestätigte Fälle registriert worden. Gegen 4000 Verdachtsfälle wurden allein im Monat August dieses Jahres gemeldet; mehr als drei Viertel davon im Bundesstaat Kano.
Unsere Teams bekämpfen die Epidemie in den Bundesstaaten Kano, Borno und Bauchi. Erschwert wird die Hilfe durch einen weltweiten Versorgungsengpass beim Diphtherie-Antitoxin, das zur Behandlung benötigt wird. Grund für diesen Engpass ist die zurückgefahrene Produktion des Antitoxins.
Zwar konnten wir im vergangenen Monat in Kano 2000 Dosen des Diphterie-Antitoxins liefern, doch dieses zu beschaffen war tatsächlich eine der grössten Herausforderungen für uns. Wir haben notfallmässig zusätzliche 5000 Dosen bestellt, um den Bedarf in unseren Projekten abzudecken, doch das reicht noch immer nicht.
Um die Epidemie wirksam zu bekämpfen, braucht es dringend verstärkte Anstrengungen, um die Übertragung der Krankheit zu verringern. Daneben braucht es Massnahmen, um Nigeria bei der Vorbereitung und Reaktion auf solche Ausbrüche zu unterstützen. Die Ursache für diese Epidemie liegt in der niedrigen Impfquote: Nur 70 Prozent der Kinder haben die erste Impfdosis gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten erhalten. 2021 waren in Nigeria insgesamt 25 Millionen Kinder nicht oder nur ungenügend geimpft. Ein grosses Hindernis ist die Finanzierung der Impfstoffe und der Durchführung der Impfungen. Der Bundesstaat Kano bräuchte allein zur Abdeckung der Risikogruppen Millionen von Impfdosen. Schliesslich braucht es auch eine verbesserte epidemiologische Überwachung und Kontaktnachverfolgung sowie Unterstützungsmassnahmen zur Stärkung des lokalen Gesundheitssystems.
In Maiduguri im Bundesstaat Borno hat Ärzte ohne Grenzen im Kinderspital in Gwange eine spezielle Diphtherie-Klinik eingerichtet, wo seit Januar mehr als 110 Erkrankte behandelt wurden. Im Bundesstaat Kano haben unsere Teams seit Januar 6707 Menschen – bestätigte Fälle und Verdachtsfälle – aufgenommen. Sie arbeiten in Behandlungszentren mit einer Gesamtkapazität von 147 Betten. Im Bundesstaat Bauchi hat die Organisation bei ihrem regelmässigen Besuch in Ganjuwa bereits 21 Diphtherie-Patient:innen behandelt und behält die Situation hier wie auch in Jama’are im Auge, um bei Bedarf Hilfsmassnahmen zu lancieren.
In Zusammenarbeit mit dem nigrischen Gesundheitsministerium haben unsere Teams Anfang September in den Bezirken Kantché und Amsoudou eine erste Impfkampagne durchgeführt; dabei wurden fast 48 500 Personen geimpft. Eine zweite Runde ist für Anfang Oktober geplant.
Unsere Teams bietet auch in Guinea Unterstützung, wo sie in einem Behandlungszentrum für epidemische Krankheiten in Siguiri tätig sind. Bis jetzt konnten dort 100 Personen aufgenommen werden.
© Ehab Zawati/MSF