Sudan: Wir verurteilen die Angriffe und Plünderungen auf unsere Projekte

Luftaufnahme der Kämpfe und der Gewalt in Khartum. Sudan, 04. Mai 2023

Sudan4 Min.

Wir verurteilen die inakzeptablen Schikanen, denen Mitarbeiter:innen von uns im Sudan ausgesetzt sind sowie die gewaltsamen Plünderungen und Besetzungen unserer medizinischen Einrichtungen und solchen, die von uns unterstützt werden. Mitarbeiter:innen und Patient:innen müssen immer wieder erleben, dass bewaffnete Gruppen in die Räumlichkeiten von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) eindringen und diese plündern. Dabei werden hauptsächlich Medikamente, Vorräte und Fahrzeuge gestohlen. Diese schockierende Missachtung der humanitären Grundsätze und des humanitären Völkerrechts erschwert es uns, Menschen in einer Zeit zu unterstützen, in der sie dringend auf medizinische Hilfe angewiesen sind.

In zehn sudanesischen Bundesstaaten betreiben und unterstützen unsere Teams medizinische Projekte. Seit Ausbruch der heftigen Kämpfe zwischen dem sudanesischen Militär und den Rapid Support Forces (RSF) am 15. April 2023 versuchen wir unsere medizinischen Aktivitäten auszubauen. Diese Bemühungen werden immer wieder durch Gewalt, aggressive bewaffnete Übergriffe, Plünderungen oder bewaffnete Besetzungen von Räumlichkeiten sowie durch administrative und logistische Probleme behindert.

Wir appellieren an alle Kriegsparteien, die Sicherheit des medizinischen Personals und der Gesundheitseinrichtungen zu gewährleisten, Krankenwagen und Menschen, die medizinische Hilfe suchen, sicheren Durchgang zu gewähren und humanitären Helfer:innen, Organisationen und Hilfsgütern den Zugang und einen schnellen und ungehinderten Transport zu ermöglichen. Am 20. Mai 2023 wurde zwar ein landesweiter Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien verkündet, doch sind die lokalen Waffenruhen in der Vergangenheit nicht immer eingehalten worden.

Wir erleben eine Verletzung der humanitären Grundsätze, und der Spielraum für humanitäre Helfer:innen schrumpft in einem Ausmass, wie ich es selten zuvor erlebt habe.

Jean-Nicolas Armstrong Dangelser, Notfallkoordinator unserer Teams im Sudan.

«Nach der Plünderung eines unserer medizinischen Lagerhäuser in Khartum wurden die Kühlschränke ausgesteckt und die Medikamente entwendet. Die gesamte Kühlkette wurde unterbrochen, so dass die Medikamente verdorben sind und nicht mehr für die Behandlung von Menschen verwendet werden können.»

«Wir sind erschüttert und entsetzt über diese Angriffe. Die Menschen befinden sich in einer verzweifelten Lage, die medizinische Versorgung ist dringend notwendig, aber diese Anschläge machen die Arbeit von Gesundheitsfachleuten enorm schwierig. Das ist sinnlos.»

Seit Beginn des Konflikts gab es mehrere Vorfälle, die Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen im Sudan betrafen:

  • Zwischen dem 16. und 20. Mai 2023 wurde ein Lagerhaus in Khartum geplündert und besetzt. Medikamente, Treibstoff und Fahrzeuge wurden gestohlen. Weitere Medikamente wurden in der Folge unbrauchbar.
  • Zwischen dem 17. und 23. Mai wurde unser Büro in Zalingei, Zentral-Darfur, geplündert. Das dortige Ausbildungsspital wurde geplündert, der Generator zerstört und der von uns gespendete Treibstoff für den Betrieb von Generatoren und Krankenwagen gestohlen.
  • Am 19. Mai 2023 wurden drei von unseren Fahrzeugen entwendet, nachdem bewaffnete Männer in ein Büro von uns in Khartum eindrangen.
  • Am 18. Mai 2023 wurde eine Unterkunft von uns in Nyala, Süd-Darfur, geplündert. Wir sahen uns bereits zuvor gezwungen, unsere medizinischen Aktivitäten in Süd-Darfur einzustellen, nachdem Gelände sowie ein Lagerhaus in Nyala am 16. April 2023 gewaltsam geplündert und zwei Fahrzeuge gestohlen worden waren. Das Lagerhaus wird weiterhin von bewaffneten Gruppierungen besetzt.
  • Am 11. Mai 2023 wurde ein weiteres Büro in Khartum geplündert und zwei Fahrzeuge gestohlen.
  • Am 4. Mai 2023 wurde ein Büro in El Geneina geplündert.
  • Am 26. April 2023 wurde auch das Ausbildungsspital von El Geneina geplündert, in dem wir die Abteilungen für Pädiatrie und Ernährungstherapie betreut hatten. Teile des Spitals wurden beschädigt oder zerstört. Das Spital blieb nach dem Angriff geschlossen.
Einschussloch in einer unserer Räumlichkeiten in Khartoum. Sudan, 21. April 2023.

Einschussloch in einer unserer Räumlichkeiten in Khartum. Sudan, 21. April 2023.

© MSF

Diese Angriffe beschränken sich nicht nur auf unsere Teams und sind Teil einer Entwicklung, in der beide Kriegsparteien das Leben von Zivilist:innen, die Infrastruktur und Gesundheitseinrichtungen missachten. Seit Beginn des Konflikts hat die Weltgesundheitsorganisation WHO 38 Angriffe auf das Gesundheitswesen dokumentiert (Zahlen vom 22. Mai 2023). Spitäler und Mitarbeitende des Gesundheitswesens stehen unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Trotzdem gibt es Berichte über die Besetzung von Spitälern durch bewaffnete Gruppen. Diese gefährden Patienten:innen, Mitarbeitende des Gesundheitswesens und Einrichtungen.

Das alles passiert zu einem Zeitpunkt, in dem der Konflikt bereits schwerwiegende Auswirkungen auf die Bevölkerung im Sudan hat. Die Menschen in Khartum, Darfur und an anderen Orten, an denen die Kämpfe besonders heftig sind, leiden weiterhin unter der anhaltenden Gewalt. Sie erleiden Schusswunden, werden Opfer von sexualiserter Gewalt oder durch Messerstiche und Explosionen verletzt. Kämpfe, Luftangriffe und andere Gewalttaten in der Nähe von Gesundheitseinrichtungen können dazu führen, dass sich sowohl Patient:innen als auch Personal zu sehr fürchten nach draussen zu gehen, und die Gesundheitseinrichtungen daher nicht aufsuchen.

Im ganzen Land herrscht ein Mangel an Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Dieser Umstand zwingt die Menschen dazu, ihre Unterkünfte zu verlassen, um sich mit dem Nötigsten versorgen zu können. Der Zugang zu humanitärer Hilfe und medizinischer Versorgung ist lebenswichtig, doch dem sudanesischen Gesundheitssystem fehlte es bereits vor dem Konflikt an lebenswichtigen Gütern. Administrative und logistische Hürden schränken unsere medizinischen Aktivitäten zudem ein. Der Transport von Hilfsgütern von einem Teil des Landes in einen anderen kann äusserst schwierig sein. Wir konnten zwar in den ersten Wochen des Konflikts Notfallteams in den Sudan bringen. Seither ist es aber schwierig, die notwendige Erlaubnis zu erhalten, an Projektstandorte zu reisen oder Visa für zusätzliche Mitarbeiter:innen zu bekommen.

Ärzte ohne Grenzen betreibt Projekte in den sudanesischen Bundesstaaten Al-Jazeera, El-Gedaref, Kassala, Khartum, Rotes Meer, Nord-, West-, Süd- und Zentraldarfur sowie Blauer Nil. Dazu gehören die Behandlung von Kriegsverletzten in Khartum und Nord-Darfur, die Bereitstellung von Gesundheits- sowie von Wasser- und Sanitärdiensten für Vertriebene in den Bundesstaaten Al-Gedaref und Al-Jazirah sowie die Unterstützung durch Hilfsgüter-Spenden für Gesundheitseinrichtungen. Als neutrale, unabhängige und unparteiische medizinische Hilfsorganisation stellen wir den Menschen eine medizinische Versorgung zur Verfügung, die sich allein nach ihren Bedürfnissen richtet, und behandeln diejenigen, die es am dringendsten benötigen – unabhängig davon, auf welcher Seite des Konflikts sie stehen.