DR Kongo: Bekämpfung eines Masern-Ausbruchs in Ebola-Gebieten
© Alexis Huguet
Demokratische Republik Kongo5 Min.
Dr. Nicolas Peyraud, Impfexperte bei Ärzte ohne Grenzen, ist aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) zurückgekehrt, wo er in Zusammenarbeit mit UNICEF und dem kongolesischen Gesundheitsministerium bei der Durchführung von Impfmassnahmen mitgewirkt hat.
In Gebieten, die von der Ebola-Epidemie betroffen sind, stellen die Behandlung von Kindern mit Masern oder die Organisation von Impfkampagnen die Pflegekräfte vor zusätzliche Herausforderungen:
Es ist das erste Mal, dass ein Masern-Ausbruch und eine Ebola-Epidemie dieses Ausmasses innerhalb desselben geografischen Gebietes auftreten. Inwiefern erschwert dies die Arbeit der Gesundheitsakteure ?
In einem von Ebola betroffenen Gebiet wird die überwiegende Mehrheit der medizinischen Ressourcen mobilisiert, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern und vermutete oder bestätigte Fälle von Ebola zu behandeln. Wenn das medizinische Personal und die Ausrüstung bereits limitiert sind, verschlechtert sich die epidemiologische Überwachung für andere Krankheiten wie Masern, und es bleiben keine Kapazitäten für die Behandlung solcher Patient*innen mehr. Ebenso werden präventive Massnahmen, wie z.B. Routineimpfungen, drastisch reduziert. So ist die Abdeckung der Masernimpfung in den Ebola-Übertragungsgebieten seit Beginn der Epidemie Mitte 2018 deutlich zurückgegangen.
Auch die Behandlung an sich ist herausfordernd, da Masern- und Ebola-Patient*innen ähnliche Symptome haben können (Fieber, Ausschlag, Erbrechen oder Durchfall). Dies erschwert die Triage für die Teams in den Gesundheitszentren, die nicht immer ausreichend gut geschult sind, diese beiden Krankheiten richtig zu identifizieren. Dies kann dramatische Folgen haben, wenn etwa ein Masernpatient in einem Ebola-Behandlungszentrum stationär behandelt wird oder umgekehrt. Die Menschen zögern zudem, den lokalen Gesundheitszentren Bericht zu erstatten, wenn sie krank sind, aus Angst, als potenzielle Ebola-Patient*innen identifiziert und dann isoliert zu werden. Es ist daher sehr komplex, zwei Epidemien dieser Grössenordnung zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu bewältigen.
Wie wird die Versorgung unter diesen Voraussetzungen mit der doppelten Epidemie angepasst ?
Um das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden, ermöglicht die Triage am Eingang des Spitals oder des Gesundheitszentrums, dass Ebola-Verdächtige direkt an die Isolationszentren für Ebola und Masernfälle an die zuständige Einheit überwiesen werden. Auch Kinder, die wegen Masern ins Spital eingeliefert werden, werden wegen der sehr hohen Ansteckungsgefahr von anderen Patienten isoliert. Ferner werden natürlich die üblichen Vorsichtsmassnahmen zur Vermeidung einer Infektion weiterer Menschen getroffen.
Dazu gehören eine äusserst strenge Handhygiene, das Tragen von Handschuhen zwischen den einzelnen Patientenkontakten und die Desinfektion von medizinischen Gerätschaften zwischen den einzelnen Anwendungen. Dieses Material darf ausschliesslich in der Einheit verwendet werden, in der die Masern-Patient*innen untergebracht sind. Zudem muss auch das medizinische Personal gegen dieses Virus geimpft werden und schliesslich ist bei jedem stationären Patienten eine tägliche Beurteilung der Symptome notwendig, die jenen von Ebola ähneln, auch wenn dies für die Teams sehr aufwändig ist.
Worauf muss im Zusammenhang mit der Masernimpfung in Ebola-Gebieten zusätzlich geachtet werden, um das Risiko einer Übertragung dieser Krankheit auf die Bevölkerung nicht zu erhöhen ?
In einem Gebiet mit aktiver Ebola-Übertragung ist es unerlässlich, zusätzliche Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle zu ergreifen, wenn sich eine grosse Anzahl von Menschen an einem Ort versammelt, wie dies bei der Masernimpfung der Fall ist. So messen am Eingang einer Impfstelle Mitarbeitende, die für das Screening zuständig sind, zunächst die Temperatur jeder Person mit einem Thermoflash (ein Thermometer, mit dem ohne direkte Berührung der Patient*innen gemessen werden kann) und befragen die Begleitpersonen, ob in den letzten zwei Tagen Symptome aufgetreten sind: Fieber, Appetitlosigkeit, Durchfall oder Erbrechen.
Kinder und Begleitpersonen werden dazu angehalten, sich die Hände zu waschen. Das Risiko, dass eine Person mit Ebola in die Impfstätte eindringt, ist daher äusserst gering. In der Warteschlange stellt anschliessend eine Aufsichtsperson sicher, dass ein bestimmter Abstand eingehalten wird. Bei jedem neuen Kind muss die Impfperson die Handschuhe wechseln und die Hände mit einer hydroalkoholischen Lösung reinigen. Diese zusätzlichen Vorgänge erfordern mehr Zeit, Ausrüstung und Personal, was letztlich zusätzliche Kosten bedeutet.
Auch die Impfstelle ist entsprechend organisiert, um diese Vorsichtsmassnahmen einhalten zu können. Neben diesen technischen Aspekten ist es aber vor allem wichtig, die Gemeinden einzubeziehen, denn eine Impfkampagne ergibt nicht viel Sinn, wenn die Patient*innen ausbleiben. Das Misstrauen gegenüber Ebola führt dazu, dass die Gemeinschaften nur dann aktiv werden, wenn sie von der Notwendigkeit überzeugt sind, schwere Krankheiten bei ihren Kindern zu verhindern. Sie sind sehr vertraut mit Masern und der damit verbundenen Gefahr. Kommunikation alleine reicht jedoch nicht aus, um sie zum Kommen zu bewegen: Sie müssen wissen, dass diese Impfaktionen sicher sind. So werden Impfstellen in sicherer Distanz zu Ebola-Pflegeplätzen eingerichtet. Gesundheitsmitarbeitende tauschen sich mit Familien so umfassend wie möglich aus, um Bedenken und Einwände zu verstehen und zu entschärfen.
Im Juli haben wir die erste Masernimpfung in einem Ebola-Gebiet eingeführt. Alles verlief nach Plan und die Kinder in mehreren Bezirken, darunter Bunia in Ituri, wurden geimpft. Wir konnten damit bestätigen, dass es möglich ist, in Ebola-Gebieten – unter Berücksichtigung spezifischer Massnahmen – gegen Masern zu impfen. Denn dies ist auch unter diesen Voraussetzungen unerlässlich, um Tausende von Todesfälle als Folge von Masern zu verhindern. Einige Monate später wurden im ganzen Land Masernimpfungen durchgeführt. Dabei wurden die Erfahrungen aus diesem ersten Experiment miteinbezogen. Dies wurde in acht Bezirken in Ituri wiederholt, die zu diesem Zeitpunkt einem hohen Risiko einer Ebola-Übertragung ausgesetzt waren.
Welche Unterstützung bietet Ärzte ohne Grenzen bei der Masernimpfung im Rahmen von Ebola und warum ?
Im Juli resultierte unsere Zusammenarbeit mit UNICEF und dem kongolesischen Gesundheitsministerium in der Impfung von 4320 Kindern in Ituri. Die Masernimpfstrategien in Ebola-Gebieten wurden verfeinert und dann sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene der Gesundheitsbehörden validiert. Mit dem Fachwissen über Masernimpfungen leistete Ärzte ohne Grenzen neben dem Gesundheitsministerium, UNICEF und der WHO Unterstützung bei der Ausbildung von medizinischem Personal.
Es stieg letztlich das Bewusstsein dafür, dass die Zahl der Todesfälle durch Masern viel höher war als jene durch Ebola und dass die Masern-Epidemie in diesem Jahr bereits mehr als 280 600 Menschen in den 26 Provinzen der DR Kongo betroffen hat. Aus diesem Grund war es nicht möglich, die Reaktion auf Ebola zur alleinigen Priorität zu machen. Der Nutzen der Masernimpfung war grösser als das Risiko, dass sich das Ebola bei den Menschenansammlungen während den Impfaktionen ausbreiten würde.
Vor allem konnten wir zeigen, dass Masernimpfungen auch in diesem Kontext möglich sind, wenn auf sorgfältige Kommunikation und die entsprechenden Vorkehrungen geachtet wird. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, diese Viren einzudämmen, welche gegenwärtig die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo dezimieren.
© Alexis Huguet