DR Kongo: Eindämmung der Masern-Epidemie erfordert weitere Anstrengungen
© Alexis Huguet
Demokratische Republik Kongo4 Min.
Seit Januar 2019 sind in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) mehr als 288 000 Personen an Masern erkrankt; über 5700 starben daran. Es ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit die aktuell grösste Masern-Epidemie. In der DR Kongo wurde seit Jahrzehnten kein Ausbruch dieses Ausmasses verzeichnet. Trotz der Anstrengungen auf Landesebene braucht es dringend mehr Mittel, die gezielt in den betroffenen Gebieten eingesetzt werden.
Masern sind eine hoch ansteckende Krankheit; die Ansteckung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Bei der aktuellen Epidemie in der DR Kongo überträgt eine erkrankte Person das Virus auf zwei bis drei andere Personen. Es gibt keine spezifische Behandlung, aber eine korrekt verabreichte Impfung ist sehr wirksam zur Prävention von Masern. Tatsächlich kann diese Massnahme in Gebieten mit niedriger Impfquote die Kindersterblichkeit um 50 Prozent verringern.
Mangel an Impfstoffen, Personal und Gesundheitseinrichtungen
Für das Ausmass der gegenwärtigen Epidemie in der DR Kongo gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist die Durchimpfungsrate in bestimmten Regionen des Landes extrem niedrig. Die Gründe hierfür sind ein Mangel an Impfstoffen, an Fachkräften zur Ausführung der Impfung oder an verfügbaren Gesundheitseinrichtungen. Zum anderen spielen die Kühlkette und die Logistik eine wichtige Rolle: Wird der Impfstoff nicht bis zur Injektion bei der korrekten Temperatur gelagert, verliert er an Wirksamkeit. Auch landesweite Lieferunterbrüche und logistische Schwierigkeiten beim Transport der Impfstoffe bis zu ihrem Verwendungsort sind erschwerende Faktoren. Angesichts des Ausmasses reicht das nationale Impfprogramm nicht aus, um alle Bedürfnisse abzudecken. Dies erklärt ansatzweise, wie sich die Krankheit 2019 in allen 26 Provinzen des Landes ausbreiten konnte.
Zurzeit ist keine Entspannung der Lage in Sicht: In der letzten Novemberwoche wurden 9605 neue Fälle gemeldet, die höchste Zahl seit Jahresbeginn. Die Sterblichkeitsrate ist mit über zwei Prozent doppelt so hoch wie in vorhergehenden Jahren. Leider sind 73 Prozent aller Todesfälle Kinder unter fünf Jahren.
Grosse Dunkelziffer bei Masernfällen
Es werden jedoch längst nicht alle Fälle gemeldet. Ärzte ohne Grenzen hat deshalb ein Überwachungssystem eingerichtet, um neu betroffene Gebiete zu erkennen und so schnell wie möglich Massnahmen zu lancieren. Anfang Dezember wurde zum Beispiel in Viadana in der Provinz Bas-Uélé eine starke Zunahme der Masernfälle registriert. Ein kleines Team reiste dorthin, um die Lage zu beurteilen. Bei ihrer Ankunft stellten sie fest, dass die tatsächlichen Zahlen noch viel höher waren. In einer einzigen Schule waren von den gesamthaft 300 Kindern über 100 an Masern erkrankt. Ärzte ohne Grenzen konnte daraufhin sofort mit der Behandlung dieser Kinder beginnen und eine Impfung organisieren.
In den vier Provinzen, die ehemals die Provinz Katanga bildeten, im Südosten des Landes, ist ein ähnliches System im Einsatz. Ärzte ohne Grenzen hat dort im Oktober sogenannte Beobachtungsstellen und ein dezentrales Labor aufgebaut, damit Verdachtsfälle von Masern und Röteln sofort untersucht werden können. Zuvor mussten die Proben für die Auswertung nach Kinshasa geschickt werden, was mehrere Monate dauern konnte.
«Die Epidemie ist uns noch immer ein paar Schritte voraus»
«Bei einer Epidemie müssen parallel zur Behandlung der Erkrankten auch sofort Impfmassnahmen lanciert werden», erklärt Alex Wade, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in der DR Kongo. «Seit Mitte November führt das kongolesische Gesundheitsministerium zusätzliche Impfmassnahmen durch, während Ärzte ohne Grenzen Kranke weiterhin kostenlos medizinisch versorgt. Doch zum momentanen Zeitpunkt ist uns die Epidemie immer noch ein paar Schritte voraus.»
In der Provinz Kongo Central hat Ärzte ohne Grenzen am 13. Dezember gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde ein Behandlungszentrum eröffnet, das sich auf komplizierte Masernfälle konzentrierte. Das Zentrum wurde im Spital in Matadi eingerichtet, der wichtigsten Hafenstadt des Landes. Eine Woche zuvor war in der Küstenstadt Muanda eine ähnliche Einrichtung eröffnet worden. Nur wenige Tage nach Eröffnung waren beide Behandlungszentren bereits ausgelastet und mussten in grössere Einrichtungen verlegt werden.
Fast 1,5 Millionen Kinder geimpft
Die dort tätigen MSF-Teams achten bei der Behandlung besonders auf Begleiterkrankungen wie Malaria und Mangelernährung, die das Sterblichkeitsrisiko stark erhöhen. Sie unterstützen aber auch andere Massnahmen zur Bekämpfung von Masern in der Umgebung, verteilen spezielle Behandlungssets und stärken die Überwachung, um neue Fälle möglichst schnell ausfindig zu machen.
Ärzte ohne Grenzen hat seit 2018 Teams vor Ort, die in verschiedenen Provinzen, darunter Ituri, Haut und Bas-Uélé, Tshopo, Kasai, Mai-Ndombe, Kwilu und Sud Ubangi, im Einsatz sind. Zwischen Januar 2018 und Oktober 2019 haben die Teams insgesamt 46 870 Patient*innen betreut und in 54 Bezirken 1 461 550 Kinder geimpft.
«Es sind schon zu viele Kinder an dieser Krankheit gestorben»
In Zusammenarbeit mit der kongolesischen Gesundheitsbehörde verstärkte Ärzte ohne Grenzen die Impfmassnahmen in den Gebieten, die von Ebola betroffen waren – denn dies hatte zu einem drastischen Rückgang der Impfabdeckung von anderen Krankheiten geführt. Leider konnten die Impfungen in vielen Regionen noch nicht durchgeführt werden.
«Das kongolesische Gesundheitsministerium hat zwar zusätzliche Impfmassnahmen lanciert, aber in vielen Regionen ist die Masern-Epidemie noch nicht unter Kontrolle. Wir müssen warten, bis die Impfungen abgeschlossen sind, um ein besseres Bild von der Entwicklung der Epidemie zu erhalten. Die Umsetzung der gegenwärtigen Kampagne gibt uns allerdings den Eindruck, dass weiterhin ein grosser Hilfsbedarf besteht. So wurden zum Beispiel Kinder über fünf Jahre noch nicht geimpft. Geldgeber und humanitäre Organisationen müssen alles unternehmen, um das Ministerium bei der Eindämmung dieses Ausbruchs zu unterstützen. Es sind schon zu viele Kinder an dieser Krankheit gestorben, die eigentlich so leicht zu vermeiden wäre», hält Wade fest.
Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1981 in der Demokratischen Republik Kongo. Die Organisation hilft bei gesundheitlichen und humanitären Notlagen wie Epidemien, Pandemien, Bevölkerungsvertreibungen oder Naturkatastrophen. Das primäre Ziel ist stets, die Sterblichkeit und Erkrankungsraten zu verringern.
© Alexis Huguet