Kiribati: Die Gesundheit der Bevölkerung ist dreifach gefährdet
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Kiribati ist eines der abgelegensten und geografisch am weitesten verstreuten Länder der Welt. Zudem ist es eines der Länder, die am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Die Bevölkerung des Inselstaats ist gleich auf drei Ebenen gesundheitlich bedroht: durch übertragbare Krankheiten, durch nicht-übertragbare Krankheiten sowie durch gesundheitliche Auswirkungen der Klimakrise.
Klima- und Umweltveränderungen verschärfen die bereits schwierige gesundheitliche Situation der Bevölkerung Kiribatis. Der Inselstaat ist erhöhten Luft- und Wassertemperaturen ausgesetzt wie auch Stürmen und starken Winden, Erosion, Dürren und Überschwemmungen. All dies gefährdet die Gesundheit der i-Kiribati (der Menschen des Landes) in verschiedenster Weise, sei es direkt durch Verletzungen oder indirekt durch Krankheitsausbrüche oder Mangelernährung.
Kiribatis Wasserversorgung ist zudem abhängig vom Grundwasser und dem gesammelten Regenwasser. Mit dem Anstieg des Meeres erhöht sich das Risiko, dass das Grundwasser versalzt. Im Juni 2022 hat die Regierung des Landes wegen der anhaltenden Dürre den Notstand ausgerufen. Ohne die Regenfälle haben die Menschen nur begrenzten Zugang zu sauberem Wasser.
Der Mangel an frischem Wasser hat negative Auswirkungen auf die Hygiene, erhöht das Risiko von Durchfall sowie Hautinfektionen und erschwert den Anbau von Nahrungsmitteln.
«Das Wasser in den Brunnen wird immer brackiger, so dass es sich nicht mehr zum Trinken eignet», sagt Dr. Jo Clarke, Kinderärztin in unserem Team.
Nahrungsmittel- und Wassersicherheit sind ständige Probleme
Auf Kiribati gibt es viele übergewichtige Menschen, gleichzeitig ist das Team von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) auf immer mehr mangelernährte Kleinkinder getroffen.
«Im Vergleich zu anderen Ländern, in denen ich gearbeitet habe und in denen es Mangelernährung gab, fällt auf, dass hier viele Erwachsene übergewichtig sind. Das ist die Kehrseite der schlechten Ernährung: eine grosse Zahl von Menschen mit ernährungsbedingten Krankheiten wie Diabetes Typ 2. Hier ist es schwierig, Obst und Gemüse anzubauen, und der Zugang zu gesunden, nahrhaften Lebensmitteln ist nicht einfach. Die meisten Lebensmittel werden importiert und enthalten viel Fett und Zucker», sagt Dr. Clarke.
Immense Gesundheitsbelastung
Die gesundheitliche Herausforderungen Kiribatis sind komplex. Die Prävalenz übertragbarer Krankheiten wie Tuberkulose und Lepra gehört zu den höchsten im Pazifik. Der Inselstaat sieht einen enormen Anstieg bei nicht-übertragbaren Erkrankungen und die Kindersterblichkeitsrate gehört zu den höchsten in der Region.
«Die Müttersterblichkeit ist eine der höchsten in der Region, die Kindersterblichkeit ist etwa zehnmal so hoch wie in Australien und Neuseeland und eine der schlimmsten in der Pazifik-Region. Diese Entwicklung ist nicht über Nacht gekommen, die Situation hat sich in den letzten zehn Jahren verschlimmert», sagt Dr. Tinte Itinteang, Kiribatis Minister für Gesundheit und medizinische Dienste.
Die Gesundheitsbelastung ist für ein so kleines Land immens.
Herausforderung Ausdehnung
Kiribati hat nur 120 000 Einwohner:innen; die Hälfte der Bevölkerung lebt auf einer einzigen Insel: Süd-Tarawa. Auf dieser Insel befindet sich auch die Hauptstadt Tarawa. Die restliche Bevölkerung lebt auf den äusseren Inseln, von denen es insgesamt 33 gibt.
Die Ausdehnung Kiribatis und die Abgeschiedenheit des Landes machen es für die Regierung schwierig, eine umfassende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Der Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal ist dabei eine der grössten Herausforderungen.
Laut dem Gesundheitsdirektor, Dr. Revite Kirition, haben in den letzten 12 Monaten 30 der erfahrensten Pflegefachleute Kiribati verlassen - aufgrund von Arbeitsmobilitätsprogrammen in Australien und Neuseeland. Auch viele Ärzt:innen sind wegen besseren beruflichen Chancen in andere Länder abgewandert. «Wir haben Ärzt:innen, die nie von ihrer medizinischen Ausbildung zurückgekommen sind. Sie beendeten diese und beschlossen dann, das Land zu verlassen», sagt Kirition.
Seit Oktober 2022 arbeiten wir in Kiribati zusammen mit dem Gesundheitsministerium und dem medizinischen Dienst an der Verbesserung der mütterlichen und pädiatrischen Versorgung im Land.
Eine Kinderärztin, ein Geburtshelfer, eine Hebamme und eine Pflegefachfrau arbeiten gemeinsam mit den lokalen Gesundheitsbehörden, um die Gesundheitsversorgung im grössten Spital des Landes zu gewährleisten und das dortige Personal zu unterstützen. Eines unserer Teams hat auch auf den äusseren Inseln gearbeitet. Dort schulte es Pflegefachpersonal in der Versorgung von Neugeborenen. Da es sehr viele Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes gibt, wurden die Pflegefachleute auch bezüglich Screenings von Frauen mit Risikoschwangerschaften ausgebildet.
Erschwerter Zugang zu lebenswichtigen medizinischen Gütern
Dr. Clarke hat aus erster Hand erfahren, wie schwierig es für das Ministerium für Gesundheit und medizinische Dienste sein kann, die benötigten medizinischen Güter und Medikamente zu beschaffen.
«Es gab Probleme bei der Versorgung mit Medikamenten und Ausrüstung. Aufgrund der abgelegenen Lage dauert es sehr lange, bis etwas mit dem Schiff oder dem Flugzeug hierher gelangt. Kürzlich hatten wir nicht genug therapeutische Nahrung für mangelernährte Kinder, als wir sie brauchten.»
Moannara Benete leitet die zentralen medizinischen Lager des Landes. Sie sagt, dass es für Kiribati sehr schwierig ist, die benötigten lebenswichtigen Medikamente rechtzeitig und zu einem fairen Preis zu erhalten. «Als die therapeutische Milch F75 und F100, die wir für mangelernährte Säuglinge verwenden, ankam, war sie bereits abgelaufen, da es acht Monate gedauert hat, bis sie aus Europa hierher gelangte.»
«Wir haben weder Beschaffungs- noch Verhandlungsmacht», sagt sie. «Um die lebenswichtige medizinische Versorgung sicherstellen zu können, sollten wir mit unseren pazifischen Nachbarn zusammenarbeiten. Wir befinden uns in einer kritischen Situation und brauchen dringend Hilfe.»
© MSF/Karim Eldib