Tschad: Geflüchtete aus dem Sudan könnten den Zugang zu humanitärer Hilfe verlieren mit dem Beginn der Regenzeit
© Johnny Vianney Bissakonou/MSF
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Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) ist besorgt über die Situation sudanesischer Geflüchteter im Tschad. Die Menschen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen und in der Region Sila im Osten des Tschads Zuflucht suchen, laufen angesichts der bevorstehenden Regenzeit Gefahr, den Zugang zu humanitärer und medizinischer Hilfe zu verlieren. Wenn die trockenen Flussbetten und Strassen überflutet werden, werden die Geflüchteten isoliert und das Gebiet unzugänglich, so die Einschätzung der medizinischen Nothilfeorganisation.
«Viele Geflüchtete wollen das Grenzgebiet verlassen, aber es gibt nicht genug Kapazitäten, um sie umzusiedeln», sagt Audrey van der Schoot, unsere Einsatzleiterin im Tschad. «Seit Beginn der Kämpfe im Sudan haben bereits mehr als 100 000 Menschen die Grenze zum Tschad überquert. Wir befürchten, dass die Menschen im Grenzgebiet bei den kommenden Regenfällen in eine Falle geraten und vergessen werden, ohne Zugang zu lebenswichtigen Diensten oder Informationen darüber, wo sie diese erhalten können.»
Die Menschen könnten vor die Wahl gestellt werden, entweder auf jegliche Hilfe zu verzichten oder in den Sudan zurückzukehren, wo sie Gewalt ausgesetzt wären.
Es besteht auch das Risiko, dass der eingeschränkte Zugang der Menschen zu Wasser und sanitären Einrichtungen zu Infektionskrankheiten führt. Die humanitären Akteure vor Ort versuchen derzeit, die Menschen umzusiedeln, bevor die Regenfälle einsetzen – doch die Hilfe gerät zusehends ins Hintertreffen.
Den Geflüchteten in der Region Sila fehlt es an Unterkünften, Wasser und Nahrungsmitteln. Daher wenden sich viele an andere Geflüchtete oder Einheimische. Als Reaktion darauf hat insere Organisation in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden ein Nothilfeprojekt in der Region Sila nahe der tschadisch-sudanesischen Grenze gestartet. Unsere mobilen bieten medizinische und präventive Versorgung in den Geflüchtetencamps Andressa und Mogororo an. Allein in den ersten drei Wochen behandelten die medizinischen Teams 1460 Patient:innen. Die meisten von ihnen sind Kinder, die an Mangelernährung, Atemwegsinfektionen, akutem wässrigem Durchfall und Malaria leiden – allesamt Krankheiten, die mit ihren prekären Lebensbedingungen zusammenhängen. Ausserdem wurden 333 schwangere Frauen vor und nach der Geburt betreut.
Unsere Teams haben teils beunruhigende Berichte von Geflüchteten aus der sudanesischen Ortschaft Foro Baranga und den umliegenden Dörfern im Süden von West-Darfur gehört. Die Überlebenden berichteten von extremer Gewalt, darunter sexualisierte Gewalt, Folter, Entführung, Zwangsrekrutierung, Plünderung, Erpressung und Zerstörung von Eigentum. Unsere Teams versorgten ausserdem über 70 verletzte Sudanes:innen in der Gesundheitseinrichtung in der Region Adré in Ouaddai. Die meisten kamen mit schweren Schussverletzungen aus den Kämpfen in West-Darfur.
Wir haben es mit einer Krise zu tun, die auf eine weitere Krise folgt.
«Jedes Mal, wenn sich der Konflikt im Sudan verschärft, strömen Menschen in den Tschad. In einem ohnehin vernachlässigten und unterfinanzierten Land belasten die Neuankömmlinge aus dem Sudan die begrenzten Ressourcen des Landes und verschlimmern die bestehenden humanitären Bedürfnisse sowohl der sudanesischen Geflüchteten als auch der tschadischen Bevölkerung. Eine Aufstockung der humanitären Hilfen und der Finanzmittel ist für alle Menschen im Tschad notwendig», sagt die Einsatzleiterin.
© Johnny Vianney Bissakonou/MSF