Erhöhtes Gesundheitsrisiko für die Vertriebenen von Tanganyika: Es fehlt an Platz, Hygiene und Wasser

Les personnes qui vivent ici ont survécu à plusieurs attaques et ont été contraintes de laisser derrière elles des abris déjà précaires.

Demokratische Republik Kongo4 Min.

In der Region Tanganyika im Südosten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) herrschen seit rund einem Jahr Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Zusätzlich zu den jüngsten Auseinandersetzungen droht das Wiederaufflammen alter Konflikte. Die Regenzeit rückt näher und Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) befürchtet eine Verschlimmerung der Lebensbedingungen der Vertriebenen in der Umgebung von Kalemie.

Seit etwas mehr als einem Monat und der Ankunft zahlreicher Familien, die vor den Kämpfen nach Kalemie geflohen sind, ist das Gesundheitsrisiko in der Stadt stark erhöht. Über eine halbe Million Menschen wurden in der Provinz Tanganyika bereits vertrieben, rund die Hälfte von ihnen im Bezirk Kalemie. Ein Teil der Menschen, die in den informellen Siedlungen am Rande der Stadt gelebt haben, ist aufgrund der Unsicherheit nun ins Stadtzentrum geflohen. Familien, die nicht bei Verwandten unterkommen konnten, leben vorübergehend in und rund um die Schulen von Filtistaf, Moni, Hodary und Lubuye unter unhaltbaren Hygieneverhältnissen, auf dem Fussboden unter Moskitonetzen. «Diese Menschen haben mehrere Anschläge überlebt und mussten bereits andere prekäre Unterkünfte hinter sich lassen. Bei jeder Flucht verlieren sie einen Teil ihres Besitzes, viele haben nichts mehr», erzählt Stéphane Reynier de Montlaux, Nothilfekoordinator von MSF. Der Schulbeginn im September steht unmittelbar bevor und die Behörden wollen die Gebäude in den kommenden Tagen räumen, damit der Unterricht wiederaufgenommen werden kann.

Seit April ist MSF mit mobilen Kliniken im Einsatz, die derzeit 17 inoffizielle Vertriebenensiedlungen abdecken und rund 210'000 Menschen versorgen. Mit dieser Strategie konnten in den letzten drei Monaten 16'410 Konsultationen durchgeführt werden, mehrheitlich wegen Malaria, Mangelernährung und Masern bei Kindern unter 5 Jahren. Rund die Hälfte der Patienten leidet an Malaria. «Jede Pflegeperson betreut aktuell im Schnitt 60 Patienten am Tag. Das zeigt, wie gross der Bedarf ist. Wir haben uns deshalb entschieden, das Angebot auf fixe Gesundheitsposten zu verlegen, die an fünf Tagen die Woche offen sind», fährt Stéphane weiter. Nebst der medizinischen Grundversorgung bietet MSF auch Mutter-Kind-Versorgung an und kümmert sich um die Überweisungen von schweren Fällen ins Spital von Kalemie. Infolge der bei den Vertreibungen erlebten Gewalt besteht zudem ein grosser Bedarf im Bereich mentale Gesundheit. MSF bietet deshalb auch psychologische Unterstützung an. Unsere Teams haben in nur fünf Wochen bereits 576 Sprechstunden durchgeführt. Die fixen Gesundheitsposten werden zwar zu einem verbesserten Zugang zur Gesundheitsversorgung beitragen, ein Hauptproblem und wesentlicher Risikofaktor für die Übertragung von Krankheiten und Epidemien vor Ort bleibt jedoch das Wasser.

Zugang zu Wasser ist ein zentrales Problem

Damit die Vertriebenen in Kalemie pro Tag und Person 20 Liter Wasser erhielten – was der Standard ist, um die Übertragung von Epidemien zu verhindern –, müssten 4 Millionen Liter Wasser am Tag verteilt werden. «Das ist etwas weniger als das, was wir in einem ganzen Monat verteilen konnten», erklärt der logistische Nothilfekoordinator Ivan Quentin. «Selbst, wenn die von anderen Organisationen verteilten Einheiten dazugerechnet werden, reicht die Wasserversorgung bei weitem nicht aus. Die verfügbaren Mengen befinden sich unterhalb der Notfall-Schwellenwerte während der ersten Tage einer Krise. Wenn die anderen Organisationen nicht massiv aufstocken, wird es für MSF extrem schwierig, die Bedürfnisse dieser Familien in den kommenden Monaten alleine zu decken», folgert er.

Ein weiterer Risikofaktor: Die fehlende Verwaltung und Organisation vor Ort

Die zusammengepferchten Strohhütten in den Lagern und die fehlende Verwaltung haben zu mehreren Bränden geführt, die im letzten Monat mindestens fünf Orte, genauer Moni, Lukwangulo, Kabubili, Kaseke und Katanyika, verwüstet haben. «Der letzte Brand in Katanyika hätte verheerend sein können, wäre er in der Nacht ausgebrochen. Es ist ein Wunder, dass es nur einige Leichtverletze gab, nachdem sich drei Viertel des Lagers in weniger als einer Stunde in Rauch aufgelöst haben», sagt Stéphane Reynier de Montlaux. MSF bereitet sich auf die Verteilung von Nothilfegütern an 4’630 Haushalte vor, die bei diesem Feuer alles verloren haben. Ohne Planung und Organisation in den Lagern dürften sich solche Ereignisse künftig wiederholen.

Erhöhtes Epidemie-Risiko wegen Platzmangel und schlechten Hygieneverhältnisse

Während die Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen zunehmen und laufend mehr Menschen in die Flucht treiben, rückt die Regenzeit näher. Die Konsequenzen in einer Region, in der Cholera endemisch ist, sind absehbar. Die MSF-Teams bereiten sich auf diesen neuen Notfall vor und hoffen, rechtzeitig eine Massenimpfkampagne durchführen zu können. Falls nötig, ist zudem die medizinische Versorgung von Betroffenen vorgesehen.
Der Kontext ist unbeständig. Die Menschen, die vor der Gewalt fliehen, sind weiterhin in und rund um Kalemie unterwegs, während sich die Hygienebedingungen in den Lagern kaum verbessern. Hilfeleistungen von Seiten der Behörden sowie der internationalen Gemeinschaft scheinen kurzfristig die einzige Lösung für die betroffenen Familien zu sein.