Griechische Inseln: Lebensumstände für Familien bei Wintertemperaturen katastrophal
Griechenland3 Min.
Tausende Kinder, Frauen und Männer sind ohne ausreichende Hilfe den zweiten Winter in Folge auf den griechischen Inseln gestrandet. MSF warnt vor einer humanitären Katastrophe und stockt die humanitäre Hilfe stark auf. Die internationale Hilfsorganisation fordert die Behörden in Griechenland und die Europäische Union dazu auf, die Menschen nicht länger auf den Inseln festzuhalten, sondern aufs Festland zu bringen.
«Ganze Familien, die kürzlich aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak geflüchtet sind, sind in kleinen Sommerzelten untergebracht. Aufgrund der aktuell herrschenden niedrigen Temperaturen und des Regens können sie sich kaum trocken und warm halten», sagt Aria Danika, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen/ Médecins Sans Frontières (MSF) auf Lesbos. «Der psychische Zustand der Menschen ist erschreckend: In unserer psychologischen Klinik betreuen wir jeden Tag rund zehn Patienten und Patientinnen wegen akuter psychischer Belastungen. Viele versuchen sich selbst zu verletzten oder Selbstmord zu begehen. Die Situation auf der Insel war zuvor schon schrecklich, nun sind die Menschen schlicht verzweifelt.»
Täglich kommen mehr verzweifelte Menschen auf den griechischen Inseln an, nachdem sie ihr Leben auf hoher See aufs Spiel gesetzt haben.
Aufgrund der Beschränkungen durch den EU-Türkei-Deal dürfen die Menschen die Inseln nicht verlassen. Das Lager in Moria auf Lesbos ist deswegen gefährlich überfüllt. Derzeit leben hier über 7.000 Menschen in einer Einrichtung, die nur für 2.300 Menschen gebaut wurde. Täglich kommen durchschnittlich 70 weitere Menschen aus der Türkei in Lesbos an. Der Grossteil davon sind Frauen und Kinder. Es gibt nicht genügend Duschen und Toiletten im Lager, und die Wasserversorgung ist unzureichend. Ganze Familien schlafen in kleinen Zweipersonenzelten, in denen sie Regen und Kälte ausgesetzt sind. Auf Samos leben 1.500 Menschen in einem Lager, das für 700 Menschen eingerichtet wurde. Hunderte Personen schlafen in Zelten ohne Heizung und leiden unter schlechten hygienischen Bedingungen.
Diese schrecklichen Lebensumstände stellen eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Menschen und eine reale Bedrohung für ihr Leben da. Allein im vergangenen Jahr sind fünf Menschen in Moria als Folge der Lebensbedingungen im Lager gestorben. Die Situation ist besonders gefährlich für kleine Kinder, die bei den aktuellen Wintertemperaturen nur geringere Widerstandskräfte haben. Diese untragbare Situation führt auch zu verstärkten Spannungen unter Migranten und Flüchtlingen sowie zu Protesten von Anwohnern und Behörden, die dagegen auftreten, dass die Inseln zu Gefängnissen werden.
MSF hat ausserhalb von Moria eine mobile Klinik für Kinder unter 16 Jahren und schwangere Frauen eröffnet, in der die Teams Lungenentzündungen, Unterkühlung und andere Erkältungskrankheiten behandeln, sowie eine allgemeine Gesundheitsversorgung anbieten. MSF verhandelt auch mit den griechischen Behörden, damit die Wasserversorgung und die sanitären Bedingungen auf Lesbos und Samos verbessert werden.
«Wie können die griechischen und europäischen Behörden nach wie vor davon ausgehen, dass die Inhaftierung von Menschen unter diesen schrecklichen Bedingungen andere Flüchtlinge davon abhalten wird, sich auf den Weg nach Europa zu machen? Täglich kommen mehr verzweifelte Menschen auf den griechischen Inseln an, nachdem sie ihr Leben auf hoher See aufs Spiel gesetzt haben. Diese grausame Politik auf Kosten von Menschen, die auf der Suche nach Schutz sind, hat versagt und muss aufhören», erklärt Emilie Rouvroy, Einsatzleiterin von MSF in Griechenland.
«Die griechischen Behörden haben vor kurzem zwar angekündigt, am 10. Dezember 3.000 Menschen von den Inseln zu evakuieren, doch selbst wenn diese begrenzte Evakuierung umgesetzt wird, werden wir in einigen Wochen wieder in derselben Situation sein. Es ist an der Zeit, die Politik der Eindämmung auf den Inseln zu beenden und den Menschen zu erlauben, dorthin zu gehen, wo ihre humanitären Bedürfnisse und ihr Bedürfnis nach Schutz auf menschliche Art und Weise gedeckt werden», so Emilie Rouvroy.