Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
© Sylvain Cherkaoui/COSMOS
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Die schmelzenden Gletscher in den Alpen machen es deutlich: Auch die Schweiz bleibt vom Klimawandel nicht verschont. Die globale Klimakrise wirkt sich auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft aus. Zudem birgt sie erhebliche Gesundheitsrisiken. Risiken für uns in der Schweiz – und noch viel mehr für Menschen in den Einsatzländern von Ärzte ohne Grenzen.
Die Schweiz ist überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen. Hierzulande wird es trockener, heisser, schneeärmer werden, während die Niederschläge zunehmen. So steht es im neuesten Bericht zum Klimawandel in der Schweiz des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Doch immerhin haben wir Zugang zu einer funktionierenden Gesundheitsversorgung und sind durch ein intaktes Sozialversicherungssystem geschützt. Im Globalen Süden sieht das ganz anders aus. Gerade für bereits gefährdete Bevölkerungsgruppen bedeutet die Klimakrise eine existenzielle Bedrohung– eine, die über Leben und Tod entscheiden kann.
Überschwemmungen, Dürren und Stürme werden dort häufiger und heftiger. Das führt dazu, dass Nahrungsmittel und sauberes Trinkwasser noch schwerer verfügbar sind. Auch die allgemeine Gesundheit verschlechtert sich. Bereits heute reagieren die Teams von Ärzte ohne Grenzen auf zahlreiche humanitäre Krisen wie Konflikte, Katastrophen, Epidemien und Vertreibung. Gleichzeitig erleben wir aus erster Hand, wie der Klimawandel und die Umweltzerstörung die Lebensbedingungen von Menschen in Not verschärfen – etwa in Mosambik, im Südsudan oder jüngst in Madagaskar.
Die Klimakrise als Multiplikator
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen sind humanitäre Mitarbeitende, keine Fachleute der Klimawissenschaft. Aber nachdem wir seit Jahren beobachten, wie der Klimawandel die gesundheitlichen und humanitären Krisen in den verschiedenen Kontexten, in denen wir tätig sind, verschlimmert hat, sehen wir uns gezwungen, über das, was wir sehen, zu sprechen.
Beispielsweise haben mehr als zwei Jahrzehnte Konflikt, politische Instabilität und extreme klimatische Bedingungen in Somalia zu einer der langwierigsten humanitären Krisen der Welt geführt. Intensive und häufige Überschwemmungen, Dürreperioden und Heuschreckenschwärme in der Wüste haben die Ernährungssicherheit beeinträchtigt und die Lebensgrundlagen verschlechtert. Dadurch haben sich der Wettbewerb um knappe Ressourcen sowie die bestehenden sozialen Spannungen verschärft.
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich hier besonders in Form von Mangelernährung bei Kindern. Sollte sich der Klimawandel wie prognostiziert fortsetzen, warnt Ärzte ohne Grenzen, dass die verringerte Nahrungsmittelproduktion und die verminderte Nährstoffqualität einiger Getreidearten das Risiko der Mangelernährung erhöhen können. Kleinkinder sind davon oft die ersten Leidtragenden.
Neue Lebensbedingungen – auch für Krankheitserreger
Wahrscheinlich ist auch, dass sich die klimatischen Veränderungen in veränderten Krankheitsmustern fortsetzen und neue Krankheiten entstehen.
Krankheiten wie Dengue-Fieber, Malaria und Chikungunya breiten sich mit konstant wärmeren Temperaturen deutlich schneller aus. Und wenn Wassertemperaturen dauerhaft steigen, kann auch das Cholera-Bakterium länger überleben.
«Die Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten in Regionen, in denen höhere Temperaturen dazu führen können, dass Infektionskrankheiten und Epidemien zunehmen. Gerade für Bevölkerungsgruppen, die etwa Konflikten oder Vertreibungen ausgesetzt sind, bedeutet das eine zusätzliche Bedrohung», erklärt Sibylle Berger.
«Seit einigen Jahren sehen die Teams von Ärzte ohne Grenzen auch einen Anstieg von Infektionskrankheiten in Regionen, wo solche Ausbreitungen bislang seltener vorkamen, da die Wassertemperaturen steigen», sagt Berger. In Somalia etwa war im Jahr 2017 ein massiver Cholera-Ausbruch zu beobachten, gefolgt von starker Mangelernährung und Massensterben von Vieh. 2019 behandelten die Teams von Ärtze ohne Grenzen in Honduras Menschen während des grössten Denguefieber-Ausbruchs seit 50 Jahren.
In der Demokratischen Republik Kongo rechnet man mit mehr als 80 000 neuen Malariafällen über die nächsten Jahre, weil sich der Moskito, der die Krankheit überträgt, zunehmend in die Hochlagen begibt.
Ausserdem werden Zoonosen, also Viren, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übergehen können, häufiger auftreten, wenn Ökosysteme schwinden und Mensch und Natur nicht mehr im Einklang leben. Beispiele hierfür sind die vermehrten, länger anhaltenden Ebola-Ausbrüche in Westafrika und im Kongo oder die Ausbreitung der Tigermücke über alle Kontinente.
Klimawandel verschärft bestehende Krisen
Der Klimawandel verschärft bestehende Konflikte oder wirtschaftliche Krisen, was Menschen vermehrt in die Flucht zwingt. Dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge handelt es sich um rund 24,9 Millionen Menschen jedes Jahr. Die Gesundheitsrisiken, die mit diesen Bewegungen verbunden sind, reichen von Mangelernährung bis hin zu Krankheitsausbrüchen, die besonders an Orten vorkommen, an denen viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben – also Masern, Meningitis, akute Atemwegsinfekte, sexuell übertragbare Krankheiten sowie psychische Leiden.
Extreme Wetterereignisse, Umweltdegeneration sowie Nahrungsmittelunsicherheit durch Dürren und Überschwemmungen erhöhen zudem den mentalen und körperlichen Stress der Menschen, die in sogenannten Klima-Hot-Spots leben. «Wir sehen zum Beispiel, dass durch die extreme Trockenheit in Zentralamerika schwere Nierenerkrankungen, die durch starke Dehydrierung und Überhitzung des Körpers entstehen, zunehmen», sagt Günther.
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit von Menschen sind enorm, und wie so oft treffen sie ohnehin gefährdete Gruppen besonders stark.
Was wir tun können, ist, in gemeinschaftlicher Anstrengung die Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen zu mildern – zum Beispiel durch vorausschauende humanitäre Hilfe, durch Stärkung nationaler Gesundheitssysteme und Investitionen in medizinische Forschung und Entwicklung.
© Sylvain Cherkaoui/COSMOS